Ausblick für den Anleihenmarkt 2025: Fruchtbarer Boden

03. Januar 2024
7 min read

Anhaltende Volatilität, sinkende Renditen und andere Erwartungen für das kommende Jahr – und sieben Strategien, um davon zu profitieren.

Nach der erfolgreichen Eindämmung der außer Kontrolle geratenen Inflation verfolgen die meisten Zentralbanken nun denselben Kurs und senken ihre Zinsen. Aber wie wir 2024 gesehen haben, bedeutet das nicht, dass alles ganz und gar problemlos ablaufen wird. Dies ist eine Zeit akuter geopolitischer Unsicherheit, von Konflikten im Nahen Osten und in der Ukraine bis hin zu den Auswirkungen der Wahlen im Jahr 2024, einem „Superwahljahr“ mit wichtigen Wahlterminen in 72 Ländern.

Insbesondere der künftige US-Präsident Donald Trump und ein republikanischer Kongress könnten politische Veränderungen herbeiführen, die die Welt möglicherweise neu gestalten. Mutmaßungen rund um diese Maßnahmen haben zu einer erhöhten Volatilität auf den Kapitalmärkten beigetragen.

Da das Jahr 2025 voraussichtlich politische Veränderungen mit sich bringen wird, könnte sich auch der regionale Mix der ökonomischen Ergebnisse ändern. Insgesamt wird es jedoch unserer Ansicht nach dabei bleiben, dass das Wachstum langsamer und die Anleiherenditen niedriger ausfallen. Im Folgenden präsentieren wir unsere Erwartungen für das Jahr 2025 sowie sieben Strategien, mit denen Anleger vom derzeit günstigen Umfeld am Anleihenmarkt profitieren können.

Wachstum: Auf Unwägbarkeiten vorbereitet sein

Wir rechnen damit, dass das globale Wachstum im Jahr 2025 hinter den Konsenserwartungen zurückbleiben wird. Unterschiede in der Wachstumsdynamik werden wahrscheinlich ausschlaggebend dafür sein, wie stark die Zinssätze in den einzelnen Regionen weiter sinken. So könnten die Renditen in Europa beispielsweise stärker sinken als in den USA.

Die europäischen Volkswirtschaften, die seit der Pandemie um eine Rückkehr zu nennenswerten Wachstumsraten kämpfen, sind am anfälligsten für einen externen Schock, der die Region in eine Rezession stürzen könnte. Bestehende Herausforderungen – sowohl struktureller als auch geopolitischer Natur – könnten durch neue Unsicherheiten, wie z. B. vorgezogene Neuwahlen in Deutschland und die Maßnahmen der neuen US-Regierung weiter verschärft werden. Unseres Erachtens könnten diese Herausforderungen dazu führen, dass sich das Wachstum schwächer entwickelt, die Zinsen stärker gesenkt werden und die Renditen tiefer fallen, als der Markt gegenwärtig erwartet.

In den USA könnte unterdessen der politische Kurs des künftigen Präsidenten Donald Trump unserer Ansicht nach dazu führen, dass das nominale Wachstum und die Inflation höher ausfallen und dass die Federal Reserve weniger Zinssenkungen vornimmt, als ursprünglich erwartet. Spekulationen über einen möglichen Anstieg der Inflation und eine Ausweitung des Staatsdefizits durch die politischen Maßnahmen unter Donald Trump sorgten bereits in den Wochen um die US-Wahl herum für einen starken Renditeanstieg bei US-Anleihen.

In China haben die politischen Entscheidungsträger bedeutende Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft ergriffen, darunter Zinssenkungen und ein kürzlich verabschiedetes Schuldenpaket in Höhe von 10 Billionen Yuan (1,4 Billionen US-Dollar). Unserer Einschätzung nach sind diese Maßnahmen jedoch eher darauf ausgelegt, das Tempo der Konjunkturabschwächung unter Kontrolle zu halten, und nicht etwa auf eine Beschleunigung des Wachstums. Hinzu kommt, dass ein Handelskonflikt mit den USA eine Bedrohung für China darstellt.

Bis wir Klarheit über die Zölle, Steuern und anderen Maßnahmen der Trump-Regierung haben, werden die Spekulationen und die Volatilität hinsichtlich der Zinssätze wahrscheinlich anhalten. Die Anleger sollten sich unserer Ansicht nach darauf einstellen, dass sich die Erwartungen in Bezug auf politische Maßnahmen mit der Zeit wandeln werden, sie sollten auf überraschende Daten gefasst sein und sich nicht von kurzfristigen Turbulenzen mitreißen lassen. Denn die übergreifenden Trends, wie ein moderates Weltwirtschaftswachstum und hohe Renditen, spielen eine zunehmend bedeutende Rolle.

Renditen: Mit dem Strom schwimmen

Es ist schwierig, auf kurze Sicht vorherzusagen, in welche Richtung sich die Anleiherenditen entwickeln. Wir konzentrieren uns weiter auf den mittelfristigen Horizont, und wir sind der Meinung, dass die Anleger dies auch tun sollten. In der Vergangenheit ging mit der Lockerung der Geldpolitik generell ein Rückgang der Renditen einher. Wir gehen deshalb davon aus, dass Anleihen vor dem Hintergrund von Renditen, die in den kommenden zwei bis drei Jahren in den meisten Regionen nach unten tendieren werden, einen Kursschub erfahren dürften.

Die Nachfrage nach Anleihen könnte sich als außerordentlich stark erweisen, wenn man bedenkt, wie viel Geld weiterhin abseits des Anleihenmarktes von Anlegern auf der Suche nach einer Einstiegsmöglichkeit bereitgehalten wird. So war zum 31. Oktober eine Rekordsumme von 6,9 Billionen US-Dollar in US-Geldmarktfonds geparkt. Dieser Zustand geht noch auf die „T-bill-and-chill“-Strategie zurück, die zu Zeiten aggressiver Zinserhöhungen durch die Zentralbanken beliebt war. Jetzt, da die Zentralbanken ihre Geldpolitik lockern und die Geldmarktsätze sinken, gehen wir davon aus, dass in den nächsten Jahren etwa 2,5 bis 3 Billionen US-Dollar auf den Anleihemarkt zurückkehren werden.

Renditekurven: Unterschiedliche Einflussfaktoren

Die Renditekurve ist eine Momentaufnahme der aktuellen Erwartungen der Anleger in Bezug auf die künftigen wirtschaftlichen Bedingungen. Das kurze Ende der Kurve wird daher von anderen Faktoren beeinflusst als das lange Ende.

Da die Geldpolitik der Zentralbanken über das kurze Ende der Kurve bestimmt, konzentrieren sich die Anleger auf die jüngsten Arbeitsmarkt- und Inflationszahlen. Im mittleren Bereich – der Laufzeiten von zwei bis zehn Jahren abdeckt – ist das Wirtschaftswachstum maßgeblich. Bei den längsten Laufzeiten kommt es auf die langfristige Inflation und die Finanzkraft an. Besonders intensiv ist aufgrund der weltweit steigenden Staatsverschuldung gegenwärtig die Spekulation im Bereich der langfristigen Renditen.

Infolgedessen haben die Renditekurven bereits begonnen, steiler zu werden. Wir sehen Spielraum für eine weitere Versteilerung vor dem Hintergrund einer fortgesetzten Lockerung der Geldpolitik durch die Zentralbanken in Verbindung mit Sorgen um die Höhe der Staatsverschuldung, die zur Folge haben, dass größere Laufzeitprämien in die Renditen für längere Laufzeiten eingepreist werden.

In Bezug auf die USA erwarten wir, dass das Gefälle zwischen 5-jährigen und 30-jährigen Anleihen am stärksten zunehmen wird. In der Vergangenheit war bei einer Lockerung der Geldpolitik durch die Fed eine deutliche Versteilerung in diesem Bereich der Kurve zu beobachten, die unter anderem durch rezessive Umfelder bedingt war. Auch dieses Mal ist es zu einer solchen Versteilerung gekommen, doch sie bleibt bisher noch hinter den historischen Durchschnittswerten zurück (Abbildung). In Europa könnte sich das Gefälle zwischen zwei- und zehnjährigen Anleihen am stärksten versteilern.

Die Renditekurve wird voraussichtlich noch steiler werden
Differenz zwischen der Rendite 5-jähriger und 30-jähriger US-Staatsanleihen (in Prozent)
Die Renditekurve wird voraussichtlich noch steiler werden

Historische und aktuelle Analysen und Prognosen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Bp.: Basispunkte.
Historischer Durchschnitt seit dem 1. Januar 1990
Bis 31. Dezember 2024
Quelle: Bloomberg, Federal Reserve und AB

Unternehmensanleihen: solide Fundamentaldaten

Die Kreditspreads sind im historischen Vergleich betrachtet zwar eng, doch die Renditen kreditsensitiver Anlagen befinden sich weiterhin in der Nähe ihrer historischen Höchststände. Unternehmen mit Investment-Grade-Rating weisen nach wie vor gute Fundamentaldaten auf, nachdem diese zuvor Rekordstände erreicht hatten. Emittenten von Hochzinsanleihen haben ebenfalls generell robuste Fundamentaldaten und erfreuen sich einer anhaltend starken Nachfrage. Darüber hinaus dürften sinkende Zinsen dazu beitragen, dass der Refinanzierungsdruck auf die Unternehmen nachlässt. Daher bleiben wir vorsichtig optimistisch, da die Schwankungsbreite der Spreads für einen längeren Zeitraum begrenzt bleiben könnte.

Wir erwarten allerdings nicht, dass alle Branchen und Unternehmen in gleichem Maße von den politischen Veränderungen betroffen sein werden. So ist es beispielsweise wahrscheinlich, dass Energie- und Finanzunternehmen weniger stark reguliert werden. Für importabhängige Branchen wie den Einzelhandel könnten sich hingegen Herausforderungen ergeben. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die finanzstärksten Emittenten von Investment-Grade-Anleihen imstande sein werden, dem Druck durch Zollmaßnahmen relativ gut standzuhalten.

Sieben Strategien für 2025

Barmittel investieren. Anleger, die in den Anleihenmarkt einsteigen möchten, sollten unserer Ansicht nach die Gelegenheit nutzen, um von der jüngsten Renditesteigerung zu profitieren. Wer noch immer in Wartestellung verbleibt, läuft Gefahr, sich potenzielle Kursgewinne in Verbindung mit sinkenden Anleiherenditen entgehen zu lassen. Die Renditen am Geldmarkt sind eng mit den Maßnahmen der Zentralbanken verbunden und werden daher wahrscheinlich noch weiter fallen, ohne dass dieser Rückgang durch Kursanstiege ausgeglichen werden kann.

Duration verlängern. Wenn die Duration Ihres Portfolios, d. h. die Sensitivität gegenüber Zinsänderungen, in Richtung ultrakurzfristiger Laufzeiten tendiert, sollten Sie eine Verlängerung in Betracht ziehen. In einem Umfeld mit sinkenden Zinssätzen profitieren Portfolios von einer höheren Duration, da sie größere Kursgewinne ermöglicht. Staatsanleihen sind gewissermaßen die Quelle für Duration schlechthin und bieten nicht nur hohe Liquidität, sondern leisten auch einen Beitrag zum Ausgleich der Volatilität an den Aktienmärkten.

Beachten Sie aber, dass die Steuerung der Duration mehr als eine einmalige Intervention erfordert. Verlängern Sie die Duration, wenn die Renditen höher (und die Anleihekurse niedriger) sind und verkürzen Sie sie, wenn die Renditen niedriger (und die Kurse höher) sind. Vergessen Sie nicht: Selbst wenn die Zinssätze von ihrem derzeitigen Niveau aus steigen sollten, bietet das hohe Ausgangsniveau der Renditen einen Puffer gegen den negativen Kurseffekt.

Global denken. Weltweit ergeben sich mehr titelspezifische Chancen, wenn die Lockerungsmaßnahmen der verschiedenen Zentralbanken in Umfang und Ausmaß voneinander abweichen, und der Vorteil der Diversifizierung über mehrere Zins- und Konjunkturzyklen hinweg kommt stärker zum Tragen.

Unternehmensanleihen halten. Trotz enger Spreads bleiben kreditsensitive Sektoren unserer Analyse zufolge attraktiv. Die Spreads müssten sich gegenüber dem aktuellen Niveau drastisch ausweiten, um die derzeit unwiderstehlich hohen Renditen zu neutralisieren. Gleichwohl erfordern die aktuellen Bedingungen eine sorgfältige Titelauswahl. Verschiedene Branchen und Unternehmen werden nicht alle in genau derselben Weise von Veränderungen auf politischer und regulatorischer Ebene oder von den Folgen eines schwachen Wirtschaftswachstums betroffen sein.

Adaptive Ansätze für die Wertpapierauswahl könnten den Anlegern helfen, große Teile des Anlageuniversums am Markt für Unternehmensanleihen objektiver zu analysieren und das Alpha zu erhöhen. Außerdem halten wir es für sinnvoll, zyklische Branchen, Unternehmensanleihen mit CCC-Rating – die für den Großteil der Zahlungsausfälle verantwortlich sind – und verbriefte Schuldtitel mit geringerer Bonität unterzugewichten, da diese am empfindlichsten auf eine Konjunkturverlangsamung reagieren. Um eine größere Diversifizierung zu erreichen, empfiehlt sich eine Mischung aus verschiedenen Sektoren mit höheren Renditen über das gesamte Ratingspektrum hinweg, einschließlich Unternehmensanleihen, Emerging-Market-Schuldtiteln und verbriefter Wertpapiere.

Eine ausgewogene Haltung einnehmen. Unserer Auffassung nach haben aktuell sowohl Staatsanleihen als auch Unternehmensanleihen ihren Platz in Portfolios. Zu den effektivsten Strategien gehören solche, die Staatsanleihen und andere zinssensitive Vermögenswerte mit wachstumsorientierten Unternehmensanleihen in einem einzigen, dynamisch verwalteten Portfolio kombinieren.

Diese Mischung nutzt die negative Korrelation zwischen Staatsanleihen und Wachstumswerten aus und trägt dazu bei, Risiken zu mindern, die nicht Teil unseres Basisszenarios eines moderaten Wachstums sind, etwa das Risiko der Rückkehr einer extrem hohen Inflation oder das eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Die Kombination von diversifizierenden Vermögenswerten in einem einzelnen Portfolio erleichtert es, das Zusammenspiel von Zins- und Kreditrisiken zu steuern und das Durations- und Kreditexposure anhand der vorherrschenden Marktbedingungen reaktionsschnell auszubalancieren.

Gegen die Inflation absichern. In Anbetracht des erhöhten Risikos für einen sprunghaften Anstieg der Inflation, der zerstörerischen Wirkung von Preissteigerungen und der Erschwinglichkeit von explizitem Inflationsschutz sollten Anleger unserer Meinung nach erwägen, ihre Allokation in Inflationsstrategien zu erhöhen.

Einen ergänzenden systematischen Ansatz nutzen. Das aktuelle Umfeld verstärkt auch das potenzielle Alpha der Titelauswahl. Aktive und systematische Ansätze im Anleihenbereich können Anlegern dabei helfen, diese Gelegenheiten zu ihrem Vorteil zu nutzen. Systematische Strategien nutzen eine Reihe von Prognosefaktoren wie etwa das Momentum, die von traditionellen Anlageansätzen nicht effizient genutzt werden. Da systematische Ansätze von anderen Faktoren für die Wertentwicklung abhängen, können ihre Erträge eine Ergänzung für traditionelle aktive Strategien darstellen.

Volatilität als Chance erkennen

Die Anleger sollten sich unserer Ansicht nach darauf einstellen, dass sich die Erwartungen in Bezug auf politische Maßnahmen mit der Zeit wandeln werden, und auf kurzfristige Turbulenzen gefasst sein. Ihre Portfolios sollten sie so positionieren, dass sie die Chancen in Verbindung mit der erhöhten Volatilität und dem Rückenwind für die Märkte in den kommenden Monaten nutzen können.

Behalten Sie vor allem die übergreifenden Trends im Blick, z. B. das nachlassende Wirtschaftswachstum, die hohen Anfangsrenditen, den Nachfragestau und die sinkenden Zinssätze. Vergessen Sie außerdem nicht, dass die Renditen am Geldmarkt, die sich täglich ändern, vor dem Hintergrund von Zinssenkungen durch die Zentralbanken weiter sinken dürften. Wir sehen dies als ein Zeichen, dass es höchste Zeit ist, wieder in Anleihen einzusteigen.

Das Umfeld ist günstig für Anleihenanleger – insbesondere für all jene, die einem möglichen erneuten Anleiheboom zuvorkommen können. Aus unserer Sicht bieten die gegenwärtigen Bedingungen einen fruchtbaren Boden für Anlagen am Anleihenmarkt.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.