Neue Strukturen wirken systemischen Risiken entgegen
Seit der Krise von 2008 haben europäische und internationale Institutionen eine Reihe von Strukturen zur besseren Steuerung von systemischen Risiken geschaffen und optimiert. In der Eurozone leisteten Programme zum Ankauf von Staatsanleihen – wie das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme oder APP, 2014) und das Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme oder PEPP, 2020) der Europäischen Zentralbank (EZB) – einen Beitrag dazu, in Phasen einer verstärkten Anlegerbeunruhigung die Spreads von Staatsanleihen zu verringern. Anschließend milderte die Einführung des Transmissionsschutz-Instruments (Transmission Protection Instrument oder TPI, 2022) Verwerfungen am Markt und sorgte für niedrigere Spreads. Nach seiner Aktivierung versetzt das TPI die EZB in die Lage, die Anleihen einzelner Mitgliedstaaten mit gezielten Ankäufen zu stützen.
Als Reaktion auf die pandemiebedingte Notlage erhielt die Europäische Kommission die Befugnis, bestimmten Ländern der Eurozone über die Aufbau- und Resilienzfazilität (2021) sowohl Kredite als auch Finanzhilfen zu gewähren. Das war der erste Schritt zum Aufbau einer Struktur für die gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU, um den Bedürfnissen einzelner Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen und ihre Finanzierungskosten zu senken.
Gegenwärtig überarbeitet die Europäische Kommission ihren Ansatz zur Steuerung der Staatsverschuldung. Während die ursprünglichen SWP-Regelungen eine feste Obergrenze für Defizite und Schuldenquoten vorsehen (die 3% bzw. 60% des jeweiligen BIP nicht übersteigen durften), ermöglichen die vor Kurzem vereinbarten Änderungen des SWP einen flexiblen länderspezifischen Ansatz zur Verringerung der Verschuldung. Unseres Erachtens wird dieser neuer Ansatz sowohl die Haushaltsdisziplin stärken als auch zur Eindämmung von Marktverwerfungen beitragen, falls ein Land seine Ziele in einem bestimmten Jahr nicht erreicht – und zwar ohne das Wirtschaftswachstum dieses Landes gravierend zu beeinträchtigen.
Stärkere Banken mindern Turbulenzen
Ein solideres Bankensystem leistete ebenfalls einen Beitrag zur Erhöhung der Finanzstabilität. Die US-Regionalbankenkrise und der Zusammenbruch der Credit Suisse im letzten Jahr erinnerten uns zwar an die im Bankensektor stets vorhandenen Risiken, aber die Bilanzen der Banken sind wesentlich robuster als vor der globalen Finanzkrise. Höhere Liquiditätsquoten und ein stärkerer allgemeiner Regelungsrahmen haben dazu beigetragen, eine Ausweitung regionaler Krisen auf globaler Ebene zu verhindern.
In Europa trugen die 2014 eingeleiteten Reformen der Bankenaufsicht dazu bei, die Überwachung zu verbessern und die Stabilität des Bankensektors zu erhöhen. Auch wenn sich der systemische Druck im Jahr 2022 erhöhte, war diese Phase von relativ kurzer Dauer, was teilweise darauf zurückzuführen ist, dass die Risiken für ein Übergreifen vom Finanzsektor auf die Realwirtschaft geringer waren.
Die Anleihekurse spiegeln die neuen Gegebenheiten wider
Dank dieser zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen verliefen die ersten Phasen der geldpolitischen Straffung durch die EZB plangemäß: Die quantitative Straffung im Rahmen des APP, die im März 2023 begann, gestaltet sich reibungslos, und die Ankündigung, dass das PEPP ausläuft und eingestellt wird, hat die Spreads der Staatsanleihen nicht beeinträchtigt.
Die Spreads der Staatsanleihen von Peripherieländern befinden sich weiterhin auf bzw. nahezu auf dem niedrigsten Stand seit der Krise von 2008. Dies ist sowohl der stabilen Binnenkonjunktur als auch der geringeren Empfindlichkeit gegenüber Veränderungen der Marktstimmung geschuldet (Abbildung). Auch hier nimmt Italien eine Sonderstellung ein. Die Spreads der BTP gegenüber Bundesanleihen sind zwar geringer als während der Staatsschuldenkrise, bleiben jedoch aufgrund der strukturellen Probleme Italiens schwankungsanfällig. Wir gehen trotzdem davon aus, dass diese Spreads bei einem reibungslosen Voranschreiten der quantitativen Straffung weiter um den aktuellen Wert schwanken werden.