Doch der Weg von der Erholung zur Normalität wirft Fragen auf. Das Navigieren der Wirtschaftszyklen ist dieses Mal problematisch, da der einmalige Charakter der Coronakrise unvorhergesehene und langfristige Folgen für Unternehmen und Branchen bergen könnte. Darüber hinaus gibt es eine spürbare Gefahr durch die Inflation und Änderungen in der Geldpolitik. Die Bewertungen in vielen Sektoren und Branchen bleiben unterdessen erhöht.
Wird dieser Zyklus anders sein?
Makroökonomische Zyklen geben Anlegern in der Regel wichtige Hinweise auf Markttrends. Beispielsweise zeigt unsere Forschung in den USA, dass der Einkaufsmanagerindex (EMI) – ein wichtiger Frühindikator für eine Wirtschaftszyklusphase – eine gute Möglichkeit zur Ermittlung wirkungsvoller Aktienrenditefaktoren darstellt. Im Verlauf von drei Jahrzehnten haben zyklische Substanzaktien grundsätzlich die beste Entwicklung während der Erholungsphase nach der Rezession vorgelegt. Wachstumstitel schnitten dagegen am besten ab, wenn das Wirtschaftswachstum sich abflachte, und defensive Titel übernahmen in den Expansions- und Kontraktionsphasen die Führung. Qualitätstitel sind selten die Stars am Aktienmarkt, doch sie bleiben tendenziell in allen vier Phasen relativ widerstandsfähig.
COVID-19 könnte einige dieser Trends, zumindest vorübergehend, auf den Kopf gestellt haben. Im Gegensatz zu den Beispielen in der Vergangenheit schnitten die Wachstumstitel während der Pandemie, inmitten einer großen globalen BIP-Kontraktion, am besten ab, während die defensiven Titel sich schlechter entwickelten. Auch könnte der Einkaufsmanagerindex durch die massiven Maßnahmen der Zentralbanken zur Stützung der globalen Wirtschaft verzerrt erscheinen.
Die wachsende Besorgnis hinsichtlich der Inflation fügt dem Ausblick ein weiteres Risiko hinzu. Die Anzeichen für Inflation haben sich im zweiten Quartal gemehrt. Der Kernverbraucherpreisindex stieg im Monatsvergleich im Mai um 0,7 %, was einer Steigerung von 3,8 % im Jahresvergleich entspricht – der höchsten jährlichen Rate in mehr als 25 Jahren. Die Forschungsergebnisse der AB-Ökonomen geben Anlass zu der Vermutung, dass dies nur ein vorübergehender Anstieg ist, und die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass für die Aktienrenditen keine Gefahr bestehen sollte, solange die Inflation nicht für längere Zeit über 4 % steigt.
Mitte Juni fielen die Aktienkurse kurzfristig und die Renditen von Anleihen mit kürzeren Laufzeiten stiegen, als die US-Notenbank (Fed) eine mögliche Veränderung ihrer Politik signalisierte. Der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell erklärte, dass die Fed eine schrittweise Reduzierung der Einkäufe von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren in Betracht ziehen würde, und mehrere Mitglieder des Fed-Vorstands legten ihre Prognosen vor, wann die Leitzinsen steigen würden. Diese Äußerungen führten im Juni zu einer Outperformance der Wachstumsaktien, vermutlich, weil sie zu einer Verringerung der Befürchtungen, die Inflation könne außer Kontrolle geraten, beitrugen, sodass die Zinsen am längeren Ende der Kurve niedriger waren als am Quartalsanfang.
Makroökonomische Unsicherheiten erhöhen die Risiken an den Aktienmärkten, während die hohen Bewertungen ein anhaltendes Problem darstellen. Ende Juni wurde der MSCI World Index mit einem KGV von 19,8x gehandelt und lag damit am oberen Ende seiner historischen Bandbreite seit 1996. Doch die regionalen Bewertungen bleiben differenziert. Aktien in Europa, Asien und den Schwellenländern werden mit großen Abschlägen zum globalen Index gehandelt und in den meisten Fällen sehr stark unter ihrem durchschnittlichen historischen Abschlag. Für Anleger, die bisher bei Nicht-US-Aktien untergewichtet waren, wäre unserer Meinung nach jetzt ein guter Zeitpunkt, ihre globalen Allokationen zu diversifizieren.