Höchste Priorität hat für uns die Förderung von:
- Langfristigen Beziehungen zu den Zulieferern im Hinblick auf eine bessere Transparenz der Lieferkette
- Verbot von durch den Arbeitnehmer zu zahlenden Anwerbegebühren und Festlegung von Richtlinien in Bezug auf Wanderarbeiter, die das Risiko der Versklavung ausländischer Arbeitnehmer mindern
- Mehr Sozial-Audits und Worker-Voice-Initiativen, um missbräuchliche Arbeitspraktiken besser aufzudecken
Langfristige Beziehungen zu den Zulieferern tragen insbesondere dazu bei, vor Ort Vertrauen aufzubauen und die Mitarbeiterfluktuation zu verringern. Allzu dehnbare und unbeständige Regelungen mit Blick auf die Belegschaft können hingegen zu Praktiken beitragen, die moderne Sklaverei ermöglichen. Dazu gehören das Locken von Wanderarbeitern in die Schuldknechtschaft und der Betrug durch falsche Versprechen, was Lohnerhöhungen oder die Rückkehr nach Hause betrifft.
Bei der Umsetzung mancher Politiken gibt es praktische Schwierigkeiten: So sind beispielsweise Sozial-Audits auf einem Schiff auf hoher See nur schwer durchführbar. Anonymisierte Erhebungen über die Stimmung unter den Arbeitnehmern können ein Weg sein, um Hindernisse zu überwinden und Probleme zu erkennen. Auch die Rückverfolgbarkeit kann sich in der Fischerei als kompliziert erweisen. Fisch wird oft „gepoolt“, d. h. die Fänge mehrerer Boote werden zusammen verarbeitet und anschließend potenziell in vielen verschiedenen Produkten wie beispielsweise Tiefkühlgerichten und Katzenfutter verwendet. Folglich könnte das Risiko, dass gepoolter Fisch mit moderner Sklaverei in Berührung kommt, den Ruf von Marken und Unternehmen, darunter auch Lebensmitteleinzelhändler, belasten.
Wenn Anleger auch weiterhin das Bewusstsein in all diesen Bereichen erhöhen, werden die Geschäftsleitungen im Lebensmitteleinzelhandel nach unserem Dafürhalten schneller strengere Standards festlegen.
Das Finanzwesen ist von zentraler Bedeutung bei der Bekämpfung der modernen Sklaverei
Moderne Sklaverei ist eine kriminelle Machenschaft mit dem Ziel, mit Missbrauch Profit zu machen; die Verwahrung und der Transfer der so erhaltenen Gelder erfordern den Zugang zum Finanzsystem. Somit spielt der Finanzsektor eine Schlüsselrolle für die Beendigung der modernen Sklaverei.
Allerdings mangelt es der Finanzbranche an Bewusstsein für dieses Problem. Bei einer Umfrage unter britischen Finanzinstituten im Jahr 2020 gaben 43% der Verwaltungsratsmitglieder an, dass ihnen die Unternehmenspolitik in Bezug auf moderne Sklaverei nicht bekannt sei. Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter gaben an, dass sie seitens der Unternehmensleitung bisher kaum oder gar nicht über das Thema informiert worden seien. Auch wenn sich die Lage in der letzten Zeit etwas verbessert hat, ist der Weg noch weit — und die Reputationsrisiken sind groß.
Beispielsweise erhielt das australische Kreditinstitut Westpac 2020 eine Strafe in Höhe von 1,3 Milliarden AUD zur Beilegung einer Geldwäscheklage im Zusammenhang mit der Finanzierung der Ausbeutung von Kindern — die höchste Zivilstrafe in der Geschichte Australiens. Viele Führungskräfte aus dem Finanzsektor sind sich immer noch nicht bewusst, dass moderne Sklaverei sowohl in den Industrie- als auch den Schwellenländern ein Problem ist, und glauben, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche, in deren Zusammenhang sie Kenntnisse über ihre Kunden erlangen, und die Prüfung auf Transaktionsrisiken ausreichen, um sie zu stoppen.
Doch aus Transaktionen resultierende Risiken machen nur einen kleinen Teil des Problems aus. Finanzinstitute vergeben Kredite an Unternehmen, die moderne Sklaverei möglich machen, und investieren in sie. Außerdem stellen sie Bankkonten bereit, mit denen sie unbeaufsichtigte Barmitteltransaktion in großem Umfang durchführen können. Viele Banken verzichten auf eine Prüfung auf verbotene Bargeldgeschäfte in einer Autowaschanlage oder einem Nagelstudio, die auf Ausbeutung hindeuten könnten. Ebenso wenig nehmen sie die Lieferketten ihrer Unternehmenskunden unter die Lupe, um herauszufinden, wie sie Produkte beschaffen, bei denen ein hohes Risiko besteht, dass bei ihrer Herstellung moderne Sklaverei eine Rolle spielte.
Stärkung der Richtlinien und Praktiken im Finanzsektor
Finanzgesellschaften können ihre vorhandenen Systeme zur Aufdeckung von Geldwäsche erweitern, sodass sie nach Indikatoren verdächtiger Aktivitäten suchen, die auf mögliche Verstöße von Kunden gegen Arbeitsgesetze und Menschenrechte hindeuten. Außerdem muss die Unternehmensleitung den Mitarbeitern deutlich signalisieren, dass das Bewusstsein für moderne Sklaverei wichtig ist. Vermögensverwalter können den Wandel vorantreiben, indem sie Research zu den Risiken ihrer Portfoliounternehmen in diesem Bereich liefern, in einen aktiven Dialog mit den Geschäftsleitungen der Unternehmen treten und sich für bessere Richtlinien und Praktiken im Umgang mit moderner Sklaverei einsetzen.
Wie wir festgestellt haben, konzentrieren sich Banken vor allem auf Finanztransaktionen und weniger auf die institutionelle Kreditvergabe. Unseres Erachtens vernachlässigen sie vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), ein Bereich mit hohem Risiko für moderne Sklaverei. Unsere Prioritäten im Dialog mit dem Bankensektor sind:
- Bessere Risikoermittlung bei der Kreditvergabe an KMU, einschließlich mittels Einstellung von oder Zusammenarbeit mit Sozial-Auditoren zur Erkennung von Risikobereichen
- Die Ausweitung der Transaktionsüberwachung von einem eingeschränkten Fokus auf sexueller Ausbeutung auf mehrere andere Formen der modernen Sklaverei, einschließlich Zwangsarbeit
Über diese Prioritäten hinaus umfasst unsere breiter angelegte Agenda die Politiken und Fähigkeiten auf Konzernebene, Finanztransaktionen und die Kreditvergabe sowohl an Institutionen als auch an KMU (Abbildung).