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Was bedeuten zunehmende Handelsbarrieren für die Weltwirtschaft?

03. April 2025
5 min read
Eric Liu| Portfolio Manager—Asia Fixed Income
Eric Winograd| Director—Developed Market Economic Research

Handelskriege könnten der Weltwirtschaft schaden und langjährige Handelspartnerschaften gefährden.

Die Anfänge der Trump-Regierung haben weitreichende Zollankündigungen mit sich gebracht. Die Situation ist zwar unbeständig, aber die Richtung ist klar: Die Handelsbeschränkungen werden wahrscheinlich zunehmen, wobei China ein Hauptziel ist. Auch wenn nach wie vor erhebliche Unsicherheiten bestehen, sind wir der Meinung, dass genügend Informationen vorliegen, um die globalen Aussichten deutlich abzuschwächen. 

Handelsbarrieren dämpfen das Wachstum 

Freier Handel fördert das Wachstum, während Handelsbeschränkungen es verlangsamen. Ein Blick auf den Handelskrieg des Jahres 2018 genügt, um dies zu belegen, denn tatsächlich kam es 2018 und 2019 vor dem Hintergrund der zunehmenden Handelsbeschränkungen zu einer Abschwächung der Weltwirtschaft.

Die kurzfristigen Auswirkungen auf das Wachstum gehen auf mehrere Faktoren zurück:  

  • Zölle verteuern importierte Waren und verringern so die Kaufkraft der Verbraucher. Schon vor dem Inkrafttreten der Zölle tendierten die Erwartungen der US-Verbraucher in Richtung einer höheren kurzfristigen Inflation und einer Verschlechterung der Wirtschaftslage. 
  • Ungewissheit in Bezug auf die Handelspolitik wirkt sich auf Unternehmensentscheidungen aus. Da es an klar feststehenden Maßnahmen fehlt, zögern die Unternehmen, in die künftige Produktion zu investieren. Wie soll ein Unternehmen über seine Investitionen entscheiden, ohne zu wissen, wie sich mögliche Handelsbeschränkungen auf ein bestimmtes Projekt auswirken könnten?
  • Die Finanzmärkte müssen sich für ein weniger effizientes Wachstumsumfeld wappnen, in dem sich das Wachstum auch bei steigenden Preisen verlangsamen kann. Wenn sich das Wachstum verlangsamt, erwarten die Märkte in der Regel, dass die Zentralbanken eingreifen, um es zu stützen. Wenn sich der Preisdruck jedoch als anhaltend erweist oder wenn die Inflationserwartungen aufwärts tendieren, könnte die Fähigkeit der Zentralbanken zur Unterstützung der Wirtschaft angesichts einer voranschreitenden Deglobalisierung möglicherweise begrenzt sein. 

Handelsspannungen verschärfen geopolitische Risiken

Längerfristig betrachtet bergen die zunehmenden Spannungen im Welthandel noch größere Risiken. 

Anhaltende Handelsspannungen spiegeln den Trend zur Deglobalisierung wider, mit dem wir uns schon seit einigen Jahren befassen. Mit der Deglobalisierung sind nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Risiken verbunden. Handelspartner haben starke Anreize, miteinander stabile diplomatische Beziehungen zu unterhalten, um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen zu schützen. Ohne das gemeinsame Interesse an guten Beziehungen könnte der globale Wettbewerb noch aggressiver werden. 

Selbst wenn besonders schwerwiegende Folgen ausbleiben, könnten sich viele Länder gezwungen sehen, eine Wahl zwischen den USA und China zu treffen. Das könnte die Deglobalisierung wiederum noch weiter beschleunigen.

Wir möchten betonen, dass ein Eintritt der schlimmsten denkbaren Folgen unserer Ansicht nach äußerst unwahrscheinlich ist. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass es bei Handelsspannungen bleiben wird, die eher nicht auf ausgewachsene Konflikte hinauslaufen, und dass die Weltwirtschaft durch die Beschränkungen zwar verlangsamt, aber nicht ganz und gar lahmgelegt wird. Gleichwohl werden die zunehmenden Spannungen wahrscheinlich Konsequenzen haben, insbesondere für China.

Die Handelsdynamik Chinas verlagert sich

Die USA und ihre Partnerstaaten werden wahrscheinlich die Handelsschranken für chinesische Waren erhöhen, um Arbeitsplätze im eigenen Land zu schützen, Handelsdefizite abzubauen oder die nationale Sicherheit zu stärken. China ist heutzutage jedoch weniger von den USA abhängig als noch 2018 und seine Wirtschaft ist mittlerweile auch weniger anfällig für disruptive Effekte von Handelskriegen. 

Der Anteil Chinas am verarbeitenden Gewerbe weltweit ist heute sogar noch höher als im Jahr 2018 und liegt nun bei 32% des globalen Gesamtvolumens*. Der Export in die USA macht inzwischen weniger als 15% des chinesischen Gesamtexportvolumens aus, nachdem er sich 2018 noch auf fast 20% belief (Abbildung links). Zudem trägt er nur noch 3% zum chinesischen BIP bei (Abbildung rechts). 

China ist weniger vom Handel mit den USA abhängig als früher
China ist weniger vom Handel mit den USA abhängig als früher

Eine vergangenheitsbezogene Analyse stellt keine Gewähr für zukünftige Ergebnisse dar.
Abbildung links: bis 31. Dezember 2024; Abbildung rechts: Stand: 31. Dezember 2023
Quelle: Wind, World Integrated Trade Solution und AllianceBernstein (AB)

Zwar wird auch ein gewisser Teil an chinesischen Waren auf Umwegen über Drittländer in die USA geliefert, aber dessen ungeachtet ist ein fundamentaler Wandel mit Blick auf die chinesischen Exporte festzustellen. Produkte wie Mobiltelefone, Elektrofahrzeuge und 5G-Ausrüstung, die auf dem US-Markt nicht verkauft werden, machen inzwischen einen erheblichen Anteil der chinesischen Exporte aus.

Diese Verschiebungen in der chinesischen Handelsdynamik deuten auf eine strategische Anpassung an die weltweiten Handelsspannungen hin.

Eine Seite zu wählen birgt Vor- und Nachteile

Die entscheidende Frage ist, was geschieht, wenn die Handelspartner dazu gezwungen sind, Partei zu ergreifen und möglicherweise ihre bilateralen Handelsabkommen mit den USA zu gefährden. Mexiko und Südkorea hatten vor der Aufnahme von Handelsgesprächen mit den USA kürzlich signalisiert, die Möglichkeiten für die Wiederausfuhr chinesischer Exportgüter beschränken zu wollen.

Daraus ergibt sich die komplexe Herausforderung, Waren für den Binnenkonsum von Waren zu unterscheiden, bei denen eine Wiederausfuhr vorgesehen ist. Staaten könnten einfach beschließen, keine chinesischen Waren mehr zu importieren, was unserer Ansicht nach das chinesische Wachstum erheblich beeinträchtigen würde. In diesem Fall müssten wir bei jedem Land, das sich entscheidet, den Handel mit China herunterzufahren, die jeweiligen Auswirkungen bewerten.

Auf diese Art Partei zu ergreifen, kann allerdings Nachteile mich sich bringen. Länder, die bisher von ihrer Rolle als Zwischeninstanz bei der Umleitung chinesischer Waren profitiert haben, würden ebenfalls unter den Folgen leiden – es sei denn, ihnen gelingt eine vollständige Lokalisierung, einschließlich der Übertragung geistigen Eigentums und einer Steigerung des einheimischen Anteils. Zu den asiatischen Ländern, die sich in dieser Frage positionieren müssen, gehören Vietnam, Malaysia, Singapur und Südkorea.

Die chinesische Wirtschaft ist aufgrund ihrer Produktionskapazitäten stark vom Export abhängig. Demgegenüber entfallen derzeit nur 12% des weltweiten Konsums auf China. Sofern China nicht in der Lage ist, seinen Anteil am weltweiten Verbrauch erheblich zu steigern, um die eigene Produktionsleistung zu absorbieren, wird es seine Handelspartner davon überzeugen müssen, die Handelsbeziehungen aufrechtzuerhalten.

Das gilt insbesondere in Bezug auf die Länder der südlichen Hemisphäre, denn der Handel mit ihnen hat in den vergangenen Jahren am meisten zum Wachstum des chinesischen Handelsüberschusses beigetragen. Dieser beläuft sich auf 1 Billion US-Dollar und entfällt zu beinahe 50% auf Länder des globalen Südens, wo allein in den letzten drei Jahren ein Zuwachs von 200 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen war.

Dieser Anstieg im Handel mit dem globalen Süden ist nicht ausschließlich auf die Umleitung von Exportlieferungen zurückzuführen. Chinesische Unternehmen erkunden proaktiv neue Märkte und suchen nach neuen Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte, um die Auswirkungen von Handelsbarrieren abzumildern und ihre Exportmärkte zu diversifizieren.

Eine weitere Strategie könnte darin bestehen, dass Unternehmen ihre gesamte Lieferkette in Regionen außerhalb Chinas verlagern, einschließlich des geistigen Eigentums und der Betriebsabläufe. Eine ähnliche Strategie verfolgte Japan in den 1980ern. Von besonderer Bedeutung wäre ein solches Vorgehen für Unternehmen, die sich auf den Export konzentrieren statt auf die Bedienung des Binnenmarktes oder anderer Märkte, die noch ein gutes Umfeld für den Absatz chinesischer Waren bieten.

Die Weltwirtschaft im Umbruch

Im Zuge der Deglobalisierung kommt es zu einer zunehmenden Entkopplung und Abschottung von Handelsbeziehungen und sogar von Konjunkturzyklen. Ein weniger gut abgestimmtes globales System, in dem die Konjunkturzyklen in den einzelnen Regionen so stark voneinander abweichen wie es zuletzt vor Jahrzehnten der Fall war, lässt unserer Auffassung nach auf eine weniger effiziente Weltwirtschaft schließen. Darüber hinaus könnten anhaltende Handelskriege die Balance zwischen Wachstum und Inflation beeinträchtigen. Eine höhere Inflation im Verhältnis zum Wachstum wäre sowohl aus Sicht der Zentralbänker als auch aus Sicht der Anleger nicht wünschenswert.

Unserer Ansicht nach müssen die Unternehmen sorgfältig abwägen, auf welche Märkte sie sich konzentrieren, und die Wahl der genutzten Technologien, Lieferketten und Materialien gut durchdenken. Angespannte Handelsbeziehungen, instabile globale Lieferketten, eine volatile Inflations- und Wachstumsdynamik sowie mögliche Divergenzen auf geldpolitischer Ebene dürften zu einer komplizierteren Ausgangslage für die Entscheidung über Unternehmensinvestitionen führen. Wir gehen davon aus, dass es Unternehmen in diesem Umfeld schwer fallen wird, eine globale Zielgruppe anzusprechen.

Die Suche nach einem neuen Gleichgewicht

Es erscheint klar, auf welchem Pfad wir uns befinden, doch es ist ungewiss, wie schnell und bis zu welchem Punkt wir voranschreiten werden. Die Aussicht auf vielversprechende Fortschritte im Bereich der technologischen Innovation könnte einen Teil der durch Handelskriege verursachten Schäden ausgleichen. Politiker, die derzeit Handelskriege führen, könnten schließlich zu dem Ergebnis kommen, dass der damit verbundene Schaden zu groß ist, um ihren aktuellen Kurs beizubehalten. Infolgedessen könnte sich die Situation im Laufe der Zeit zunehmend stabilisieren. Zudem sollten wir die Widerstandsfähigkeit des Privatsektors und seine Fähigkeit, Lösungen für neue Probleme zu finden, nicht unterschätzen.

Auch wenn die kurzfristigen Aussichten auf widrige Umstände hinweisen, möchten wir an die Anleger appellieren, die Perspektive zu wahren. Deglobalisierung und Handelsspannungen schaffen kein günstiges Umfeld für die Weltwirtschaft, aber die Folgen müssen nicht unbedingt katastrophal sein. Nachdem sich die Beziehungen über mehr als 20 Jahre vertieft haben, ist es möglicherweise nicht zu vermeiden, dass die Welt eine Weile lang den entgegengesetzten Kurs verfolgt.

Phasen der erhöhten Spannung mögen für die Weltwirtschaft belastend und für die Anleger unangenehm sein, doch wir glauben, dass sich schließlich ein neues Gleichgewicht einstellen wird.

* Nach Angaben der Welthandelsorganisation und des Center for Strategic & International Studies.

Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.