Anlagen im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) haben ein schwieriges Jahr hinter sich, in dem die zunehmende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden und die schwankende Wertentwicklung für heftige Diskussionen gesorgt haben.
Auch wenn die Turbulenzen, die mit schnellen Veränderungen einhergehen, beunruhigend sein können, begrüßen wir sie als ein Zeichen dafür, dass nachhaltiges Investieren erwachsen wird.
Wir sehen die jüngsten Herausforderungen als Chance für Interessengruppen, gemeinsam das Regelwerk für ESG-Investitionen zu erarbeiten: Entwicklung und Einhaltung von Vorschriften, Einigung auf eine gemeinsame Taxonomie und Terminologie und Schaffung verschiedener ESG-fokussierter Ertragsströme.
Regulierungsbehörden nehmen Grünfärberei ins Visier
Die im Hinblick auf ESG-Investitionen gestellten Fragen sind ernst zu nehmen. Für einige Manager war es ein Leichtes, die ESG-Integration zu betonen – ein Begriff, der sehr großzügig interpretiert werden konnte. Und es war ebenso einfach, die ESG-Fähigkeiten und -Referenzen zu hoch anzusetzen.
Das ist jetzt vorbei. Seit 2021 gibt es eine Vielzahl von Vorschriften, die „Greenwashing“, also Grünfärberei, bekämpfen und den Anlegern helfen sollen, sich in einer immer komplexeren Produktlandschaft zurechtzufinden. Für Vermögensverwalter kann es eine Herausforderung sein, die unterschiedlichen Offenlegungs- und Berichterstattungsanforderungen der verschiedenen Regionen und Länder zu erfüllen. Letzten Endes haben diese Vorschriften jedoch ein gemeinsames Ziel: Vermögensverwalter sollten das tun, was sie vorgeben zu tun – und dabei vollkommen transparent sein. Das bedeutet, dass sie ihre ESG-Ziele klar formulieren, strenge, verlässliche Anlagerahmen entwickeln und offenlegen müssen, die diese Ziele unterstützen, und ihren Kunden umfassend über die Fortschritte bei der Erreichung dieser Ziele berichten.
Interessengruppen müssen dieselbe Sprache sprechen
Klare Definitionen und transparente Offenlegung sind unerlässlich. Vermögenseigner und -verwalter müssen mit Aufsichtsbehörden und politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um Unklarheiten bei der Definition von ESG-Integration und anderen verantwortungsvollen Anlagemethoden zu beseitigen.
Zunächst müssen wir zwischen ESG-integrierten Strategien und ESG-fokussierten Strategien unterscheiden. Die Integration von ESG beinhaltet die Identifizierung finanziell wesentlicher ESG-Themen und die anschließende Untersuchung und Bewertung ihrer Auswirkungen auf Geschäfts- und Finanzkennzahlen wie Umsätze, Gewinnspannen, Cashflows, Bewertungen und Kapitalkosten. Die Anleger müssen dann feststellen, ob die damit verbundenen Risiken und Chancen in die Bewertung des Emittenten eingepreist wurden.
ESG-fokussierte Strategien gehen über die ESG-Integration hinaus: Sie haben spezifische ESG-Ziele oder -Themen wie zum Beispiel die Konzentration auf Emittenten mit verbesserten ESG-Praktiken oder die Investition in Unternehmen, die Lösungen für den Klimaschutz anbieten, zusätzlich zur Optimierung von Risiko und Ertrag. Die Regulierungsbehörden sind bestrebt, die unterschiedlichen Ansätze für ESG-fokussierte Strategien – beispielsweise Ausschluss, Best-of-Class, thematisches Investieren, nachhaltiges Investieren und wirkungsorientiertes Investieren – in einer gemeinsamen Taxonomie zu organisieren.
Wir glauben, dass ESG-integrierte Portfolios einen rigorosen Ansatz verfolgen sollten. Investmentteams können damit beginnen, wesentliche ESG-Risiken und -Chancen zu identifizieren und zu bewerten, um Anlageideen zu entwickeln. Anschließend sollten die Analysten mit eigenen und externen Instrumenten, Daten und Research ausgestattet werden, die es ihnen ermöglichen, ein umfassenderes Verständnis der ESG-Risikomerkmale und Chancen eines Emittenten, Sektors oder Portfolios zu entwickeln.
Um diese Aufgaben effektiv zu erfüllen, müssen die Portfolio-Teams mehrere Perspektiven einnehmen. Analysten sollten sich häufig mit Führungskräften öffentlicher und privater Unternehmen und nicht-öffentlicher Einrichtungen treffen, um spezifische ESG-Themen zu diskutieren. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus diesen Treffen sollten die Anlageteams ESG-Faktoren in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen.
Und eine echte ESG-Integration hört nicht auf, nachdem eine Anlageentscheidung getroffen wurde. Fondsmanager sollten Emittenten weiterhin beobachten und mit Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um Unklarheiten bei der Definition von ESG-Integration zu beseitigen.
Kontroversen überwinden
Dieser umfassendere Ansatz schärft den Blick des Fondsmanagers für die finanziellen Perspektiven eines jeden Wertpapiers. Grundsätzlich geht es bei der Integration von ESG-Überlegungen in den Anlageprozess um eine bessere Risikobewertung in der Erwartung, bessere risikobereinigte Erträge zu erzielen.
Wenn ein Portfolio beispielsweise erwägt, in ein Industrieunternehmen zu investieren, dessen Fabriken viel CO2 ausstoßen, was bedeutet das dann für das Unternehmen und den Ertrag, den die Anleger erzielen? Das Investitionsteam muss die Auswirkungen potenzieller CO2-Steuern oder Vorschriften zur Umweltverschmutzung auf den künftigen Investitionsbedarf des Unternehmens oder die Auswirkungen auf den Marktanteil eines Wettbewerbers, der einen umweltfreundlicheren Ersatzstoff entwickelt, untersuchen und berücksichtigen.
Wir sehen die ESG-Integration einfach als besser informiertes Investieren. Während sich jedoch nur wenige Anleger gegen ESG-integrierte Strategien aussprechen würden, teilt nicht jeder den Wunsch nach ESG-fokussierten Strategien.
Die Nachfrage nach vielfältigen ESG-Ertragsströmen wird weiter zunehmen
Anleger, die ESG-fokussierte Strategien in Erwägung ziehen, wollen sicher sein, dass sie keine Einbußen beim Ertragspotenzial hinnehmen müssen. In der Tat ist die historische Korrelation zwischen ESG-Investitionen und Alpha-Generierung relativ kurz und bisher nur punktuell.
ESG-fokussierte Portfolios haben in den letzten Jahren in der Regel besser abgeschnitten als der breite Markt, vor allem weil viele von ihnen großkapitalisierte Wachstumswerte übergewichtet haben. Doch im Jahr 2022, als Technologieaktien einbrachen und fossile Brennstoffe zulegten, schnitten viele ESG-Portfolios schlechter ab.
Für uns ist das ein Hinweis auf die Notwendigkeit, ergänzende ESG-Strategien zu entwickeln, die sich nicht auf eine einzige Beta-Quelle stützen. Wie bei jeder Vermögensallokation sollten Anleger eine Vielzahl von Aktienstilen, alternativen Anlagen und Anleihen in Betracht ziehen, um ESG-fokussierte Erträge zu diversifizieren. Darüber hinaus sollten Anleger nicht nur in Unternehmen investieren, denn auch Staatsanleihen sowie reale und verbriefte Vermögenswerte können ESG-Faktoren enthalten.
Die nächsten Schritte im Reifeprozess nachhaltigen Investierens
In einer Zeit, in der sich Vorschriften, Verbraucherpräferenzen und Wettbewerbsbedingungen ändern, müssen sich Vermögensverwalter weiterhin konstruktiv an Gesprächen über Ideen beteiligen, die für verantwortungsbewusstes Investieren von grundlegender Bedeutung sind: Vorschriften, allgemeiner Sprachgebrauch, robuste Regelwerke, differenzierte Erträge und mehr.
Vom Klimawandel über Zwangsarbeit bis hin zu Diskriminierung und Diversität stellen ESG-Faktoren wesentliche Investitionsrisiken und -chancen dar, die die Schaffung von langfristigem Aktionärswert hemmen oder fördern können. Deshalb glauben wir, dass das beste Gegenmittel gegen ESG-Herausforderungen – und der beste Weg, den langfristigen Erfolg unserer Kunden zu sichern – ein durchdachter, auf finanzieller Signifikanz basierender Ansatz ist.