US-Wirtschaftswachstum im Aufwind, Zinssenkungen der Fed kommen später

07. Mai 2024
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Dank des stärkeren Wirtschaftswachstums kann sich die US-Notenbank mehr Zeit lassen. Die erwarteten Zinssenkungen dürften sich also verzögern.

Die US-Wirtschaft legte im ersten Quartal kräftig zu, da zahlreiche Neueinstellungen und der allmählich nachlassende Inflationsdruck die Verbraucherausgaben in die Höhe trieben und für ein solides Wachstum sorgten. Unseres Erachtens wird diese, durch die Veränderung der demografischen Entwicklungen unterstützte Stärke größtenteils anhalten, und deshalb erhöhen wir unsere Prognose für das reale, inflationsbereinigte BIP-Wachstum im Gesamtjahr 2024 auf 1,5%.  

Die gute Konjunktur hat den Rückgang der Inflation verlangsamt, aber wir rechnen im weiteren Jahresverlauf dennoch mit nachlassendem Preisdruck. Allerdings wird dieser Prozess wohl schleppender als bisher prognostiziert verlaufen, was den geldpolitischen Kurs der US-Notenbank – einschließlich der Zinssenkungen – beeinflussen dürfte. Wir rechnen nun damit, dass der Leitzins noch einige Monate auf dem aktuellen Niveau belassen wird, bevor es gegen Jahresende zu den ersten Zinssenkungen kommt.

Größeres Angebot an Arbeitskräften stützt die Wirtschaft

Was sind die Ursachen für die solide Entwicklung in den letzten Quartalen, und welche Auswirkungen haben diese auf die weiteren Aussichten? Viele wachstumsfördernde Faktoren aus dem vergangenen Jahr, darunter die Konjunkturmaßnahmen, die hohen Ersparnisse und der zügige Rückgang der Inflation, schwinden nun. Dafür ist jedoch die Nettozuwanderung 2023 kräftig gestiegen, wodurch sich allem Anschein nach das Angebot an verfügbaren Arbeitskräften beträchtlich erhöht hat: In den letzten drei Jahren verzeichnete die Erwerbsbevölkerung so viele Neuzugänge wie seit Anfang der 1980er Jahren nicht mehr (Abbildung).

Neuzugänge zur Erwerbsbevölkerung: Höchststand seit Anfang der 1980er Jahre
Gesamtzahl der Neuzugänge zur Erwerbsbevölkerung (in Mio.)
Neuzugänge zur Erwerbsbevölkerung: Höchststand seit Anfang der 1980er Jahre

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Bis 28. Februar 2024
Quelle: LSEG Datastream

Da mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, konnten die Unternehmen mehr Einstellungen vornehmen, ohne höhere Löhne zu zahlen. Die Löhne steigen zwar schneller als vor der Pandemie und halten mit der Inflation Schritt, aber das Lohnwachstum hat trotz zahlreicher Neueinstellungen nachgelassen (Abbildung). 

Dies trägt dazu bei, dass die US-Wirtschaft schneller wächst, ohne dass große Besorgnis wegen einer Lohn-Preis-Spirale aufkommt, aufgrund derer die Inflation aus dem Ruder laufen könnte.

Geringeres Lohnwachstum trotz zahlreicher Neueinstellungen
Lohnwachstum (prozentuale Veränderung ggü. Vorjahr)
Geringeres Lohnwachstum trotz zahlreicher Neueinstellungen

Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Bis 31. März 2024
Quelle: Federal Reserve Bank of Atlanta und LSEG Datastream

Stärkeres Wachstum, wenig Besorgnis hinsichtlich einer Lohn-Preis-Spirale  

Auch 2024 wird die Nettozuwanderung voraussichtlich das Wachstum ankurbeln, weshalb wir unsere Prognose für das reale BIP wie erwähnt auf 1,5% angehoben haben. Dieser Wert ist etwas niedriger als die meisten Schätzungen des langfristigen US-Wachstumspotenzials. Sollten wir richtig liegen, wäre das in der Tat eine überaus sanfte Landung. 

Natürlich ist das Wachstum nur ein Teilaspekt der Gesamtentwicklung. Ein größeres Angebot an Arbeitskräften trägt zur Eindämmung der langfristigen Inflation bei, und die anhaltende Abschwächung des Lohnwachstums gibt wenig Anlass zur Besorgnis in Bezug auf eine Lohn-Preis-Spirale. Im ersten Quartal war die Inflation weiterhin rückläufig (Abbildung), sank jedoch langsamer als von uns erwartet. Wir gehen davon aus, dass die Kerninflation erst 2025 wieder auf 2,0% zurückgehen wird. Die Anleger sollten sich davon nicht verunsichern lassen: Kaum einer wäre erfreut über die massive Rezession, die man in Kauf nehmen müsste, um diesen Prozess zu beschleunigen.

Kerninflation ist weiter rückläufig
US-Kernverbraucherpreisindex (prozentuale Veränderung ggü. Vorjahr)
Kerninflation ist weiter rückläufig

Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Bis 31. März 2024
Quelle: LSEG Datastream

Wenn sich die Fed in Geduld übt, verzögern sich die Zinssenkungen

Solange die Inflationserwartungen stabil bleiben – und das war in diesem Konjunkturzyklus bislang der Fall –, kann es sich die Fed unseres Erachtens leisten, mit Weitblick zu agieren. Das heißt, sie kann geduldig abwarten und muss die Inflation nicht sofort abwürgen. Diese Geduld wirkt sich jedoch in beide Richtungen aus: Wenn die Inflation langsamer sinkt, wie es im ersten Quartal der Fall war, dürfte die Fed darauf reagieren, indem sie die Zinssenkungen hinauszögert.

Mit genau diesem Szenario rechnen wir. Anstelle von vier Zinsschritten ab dem zweiten Quartal, die wir anfangs prognostiziert hatten, erwarten wir nun lediglich eine Zinssenkung um 25 Basispunkte im vierten Quartal. Für die Märkte, die sich auf eine aggressivere Lockerung eingestellt hatten, mag dies eine Enttäuschung sein, aber für die meisten Anleger dürfte es keinen großen Unterschied machen. Unserer Ansicht nach ist es wichtiger, dass die Fed bereit ist, die Zinsen zu senken, wenn die Inflation zurückgeht oder das Wachstum ins Stottern gerät, als dass die Anleger den genauen Zeitpunkt des ersten Zinsschritts kennen.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.