Aktienausblick: Hoffnungsschimmer inmitten trüber Marktstimmung

10. April 2025
8 min read
| Head—Equities

Angesichts steigender Volatilität ist es strategisch wichtig, investiert zu bleiben, um bei zunehmender Marktbreite langfristig Erträge zu erzielen.

Die globalen Aktienmärkte sahen sich im ersten Quartal 2025 neuen Herausforderungen gegenüber, darunter wachsende Sorgen über einen Handelskrieg und Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Volatilitätsschübe und zunehmend eingetrübte Aussichten haben noch einmal verdeutlicht, wie wichtig Diversifizierung und ein genauer Blick auf die Bewertungen und Fundamentaldaten von Unternehmen sind.

Nach einem vielversprechenden Jahresbeginn verloren globale Aktien im Februar und März an Boden (Abbildung). Der MSCI ACWI Index, der globale Aktien der Industrieländer und Emerging Markets umfasst, büßte im Verlauf des ersten Quartals 1,3% in US-Dollar ein, wobei die Erträge in den verschiedenen Regionen uneinheitlich ausfielen. Die überdurchschnittliche Wertentwicklung des S&P 500 Equal Weight Index gegenüber dem nach Marktkapitalisierung gewichteten S&P 500 demonstrierte eine breitere Verteilung der Markterträge.

Regional uneinheitliche Erträge im volatilen ersten Quartal
Regional uneinheitliche Erträge im volatilen ersten Quartal

Die Wertentwicklung der Vergangenheit und aktuelle Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
* Europa ohne GB dargestellt durch den MSCI Europe ex UK Index, GB durch den MSCI UK, Schwellenländer durch den MSCI Emerging Markets Index, Japan durch den MSCI Japan, China durch den MSCI China A Index, US-Standardwerte (gleichgewichtet) dargestellt durch den S&P 500 Equal Weight, Australien durch den MSCI Australia Index, US-Standardwerte (marktgewichtet) durch den S&P 500 und US-Nebenwerte durch den Russell 2000 Index
Stand: 31. März 2025
Quelle: FactSet, FTSE Russell, MSCI, S&P und AB

Seit Quartalsende dominierten die beispiellosen Zollmaßnahmen die Schlagzeilen. Schon vor den umfassenden Ankündigungen vom 2. April und der jüngsten Pause verunsicherte die US-Politik die Märkte, als Trump zwar Zölle auf alle Importe aus China sowie auf ausgewählte Waren aus Mexiko, Kanada und der Europäischen Union verhängte, diese aber letztlich einführte. Die Marktvolatilität wurde zudem durch die Vorstellung eines neuen KI-Modells des chinesischen Unternehmens DeepSeek im Januar verstärkt, das das Vertrauen in die Ertragsaussichten der „Glorreichen Sieben“ untergrub.

Trendwechsel im Hinblick auf Regionen, Sektoren und Anlagestil

Aufgrund der mangelnden Klarheit in Bezug auf die Handelspolitik nahmen die Erträge in verschiedenen Regionen eine unterschiedliche Entwicklung. Aktien aus Europa und den Schwellenländern ließen US-Aktien im Berichtsquartal im Zuge einer radikalen Umkehr langfristiger Trends weit hinter sich (Abbildung oben). Der MSCI Europe ex UK Index legte 10,7% in US-Dollar zu. US-Large-Caps – die unangefochtenen Spitzenreiter der vergangenen Jahre an den Märkten – blieben hingegen zurück, und der S&P 500 sank um 4,3%.

US-Mega-Caps verloren weiter an Dominanz und setzten damit die gegen Ende des letzten Jahres begonnene Entwicklung fort. Mit der Einführung des kosteneffizienten Modells von DeepSeek kamen Fragen rund um die künftigen Ausgaben für KI auf, und der resultierende Abverkauf der „Glorreichen Sieben“ ließ Technologieaktien um 11,6% einbrechen (Abbildung). Energiewerte und Versorger verzeichneten aus Sektorsicht die höchsten Kursgewinne im Quartal, während sich der Gesundheitssektor von einer schwachen Entwicklung im Jahr 2024 erholte. Da die Anleger bestrebt waren, sich abzusichern, entwickelten sich Aktien mit geringerer Volatilität gut. Substanzwerte, die in den letzten Jahren nicht mit Wachstumsaktien mithalten konnten, profitierten ebenfalls von der zunehmenden Marktbreite.

Trendwechsel im Hinblick auf Sektoren und Anlagestil: Technologie- und Wachstumsaktien blieben zurück
Trendwechsel im Hinblick auf Sektoren und Anlagestil: Technologie- und Wachstumsaktien blieben zurück

Die Wertentwicklung der Vergangenheit und aktuelle Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Stand: 31. März 2025
Quelle: FactSet, MSCI und AB

Die komplexen Auswirkungen eines Handelskriegs

Die politische Gemengelage, die in letzter Zeit die Schlagzeilen bestimmt hat, wird sich nicht so bald auflösen. So haben infolge der Kursänderungen der Trump-Regierung in Bezug auf Zölle insbesondere importabhängige US-Unternehmen unter Preisschwankungen zu leiden. Zugleich sind die Effekte auch für Exportunternehmen überall auf der Welt spürbar. Selbst nachdem Trump am 9. April eine 90-tägige Aussetzung der Zölle für die meisten Länder (außer China) angekündigt hatte, werden viele Unternehmen angesichts der weiterhin instabilen Handelslage Schwierigkeiten haben, ihre Investitionspläne voranzutreiben. Die Unsicherheit könnte nachlassen, wenn sich ein systematischerer Ansatz bei den Zöllen durchsetzen sollte. Das könnte die Anlegerängste trotz der Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen eines Handelskriegs lindern.

Von den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten bis hin zu den Spannungen zwischen China und Taiwan: Belastungen in der Handelspolitik und geopolitische Risiken drohen, die Inflation wieder anzuheizen und trüben die Aussichten für die Zinsentwicklung ein. Im ersten Quartal sahen die Federal Reserve und die Bank of Japan von geldpolitischen Lockerungen ab, während die Europäische Zentralbank ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 2,5% senkte und damit ihrem langfristigen Ziel nahekam.

Im Falle eines länger andauernden Handelskrieges hätten Volkswirtschaften und Unternehmen mit komplexen Auswirkungen zu rechnen. Zum Beispiel räumte selbst Donald Trump ein, dass den USA eine Rezession bevorstehen könnte. Man muss jedoch berücksichtigen, dass die US-Wirtschaft nicht übermäßig stark vom Außenhandel abhängig ist und dass manche Unternehmen, je nach Branche und betrieblicher Aufstellung, generell weniger sensibel auf die Einführung von Zöllen reagieren als andere. Einige globale Unternehmen, die in den USA tätig sind, könnten sogar von Zöllen profitieren. Dies würde zum Beispiel europäische und japanische Hersteller von Elektronikprodukten und Konsumgütern betreffen, die eine große Produktionspräsenz in den USA haben.

Eine Erweiterung des geographischen Horizonts

Auch Anleger sehen sich komplexen Herausforderungen gegenüber: Die politische Ungewissheit ist so groß wie selten zuvor und im Aktienbereich nimmt die Marktbreite zu. Unserer Ansicht nach ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Engagements mit Blick auf Anlagestil und Regionen noch einmal kritisch zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für zahlreiche Anleger, die aufgrund der Dominanz der „Glorreichen Sieben“ in den letzten Jahren US-Wachstumsaktien übergewichtet haben.

Mithilfe defensiver Titel kann eine breitere Streuung erzielt und das Portfolio gestärkt werden. Durch Anlagen in qualitativ hochwertigen Titeln mit stabilen Handelsmustern kann eine defensive Strategie dazu beitragen, die Volatilität aufgrund von politischen, technologischen und makroökonomischen Risiken zu verringern. Substanzwerte ermöglichen eine Diversifizierung zu Preisen, die immer noch weit unter denen von Wachstumsaktien liegen. Zwar gelten Substanzwerte als anfällig gegenüber zyklischen Konjunkturschwankungen, doch unserer Einschätzung nach können Anleger durchaus unterbewertete Titel mit attraktiven freien Cashflows und Unternehmensmerkmalen finden, dank derer sich Gewinne selbst in einem trägeren Wirtschaftsumfeld erzielen lassen.

Auch die regionale Diversifizierung sollte nicht vergessen werden. Der europäische Aktienmarkt könnte sich endlich stabilisieren – trotz der anhaltenden Risiken durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Im Vergleich zu US-Titeln weisen europäische Aktien immer noch attraktive Bewertungen auf, und europäische Unternehmen übertrafen die Konsenserwartungen in der Berichtssaison für das vierte Quartal um durchschnittlich 3%. Es gibt sogar Anzeichen für eine Umkehr der Tendenz der letzten drei Jahre, in denen europäische Aktienfonds Kapitalabflüsse verzeichneten. Wenn Anleger selektiv vorgehen, können sie europäische Unternehmen mit stetig wachsenden Gewinnen und hochwertigen Geschäftsmodellen identifizieren, die weniger anfällig gegenüber regionalen makroökonomischen und geopolitischen Risiken sind.

Auch die Emerging Markets erholen sich und bieten überraschende Gelegenheiten. Einige der wichtigsten Akteure der globalen Lieferkette für KI-Systeme sind in Emerging Markets ansässig. Die Gewinnprognosen für diesen Teil der Welt, der zusammen 90% der globalen Bevölkerung repräsentiert und etwa die Hälfte des globalen BIP generiert, sind derzeit im Steigen begriffen. Zudem zeigt unser Research, dass Anleger einen hohen Preis zahlen könnten, wenn sie die Erholung der Emerging Markets verpassen.

Unternehmensgewinne: Steht eine Neuausrichtung bevor?

Angesichts der jüngsten Verschiebungen der Ertragsmuster an den Aktienmärkten erscheint es sinnvoll, die langfristigen Gewinnentwicklungen näher zu betrachten. In den letzten 15 Jahren übertraf das Gewinnwachstum von US-Unternehmen das der im MSCI EAFE Index enthaltenen Unternehmen außerhalb der USA. Doch in den Jahren vor 2010 war dies nicht immer der Fall. Wie unser Research zeigt, lagen in der Zeit zwischen 1970 und 2010 die Gewinne von Unternehmen außerhalb der USA in drei von vier Jahrzehnten über denen von US-Unternehmen (Abbildung).

Gewinne im historischen Überblick: US-Unternehmen lagen nicht immer vorn
Gewinne im historischen Überblick: US-Unternehmen lagen nicht immer vorn

Die Wertentwicklung der Vergangenheit und aktuelle Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
EAFE: Das Gewinnwachstum für Europa, Australasien und Fernost wurde anhand der Entwicklung des Verhältnisses von Marktkapitalisierung bzw. Marktpreis und Gewinn im Vergleich zum Vorjahr berechnet.
Stand: 1. März 2025
Quelle: International Data Corporation, S&P, S&P Compustat, Thomson Reuters Datastream, Worldscope und AB

Im Allgemeinen wird erwartet, dass sich das Gewinnwachstum der USA in diesem Jahr dem Gewinnwachstum der übrigen Länder annähert. Ausgehend von den Gewinnprognosen für 2025 sind Aktien von Unternehmen außerhalb der USA immer noch signifikant unterbewertet (Abbildung).

Erwartete Annäherung des Gewinnwachstums bei weiterhin bedeutender Bewertungslücke
Erwartete Annäherung des Gewinnwachstums bei weiterhin bedeutender Bewertungslücke

Die Wertentwicklung der Vergangenheit und aktuelle Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
USA dargestellt durch den S&P 500, Japan durch den MSCI Japan, Europa durch den MSCI EMU, Industrieländer durch den MSCI World und Schwellenländer durch den MSCI Emerging Markets.
Stand: 31. März 2025
Quelle: FactSet, MSCI, S&P und AB

In unseren Augen bilden US-Aktien selbst nach diesem schwachen Quartal weiterhin einen essenziellen Bestandteil eines jeden diversifizierten Portfolios. Über die letzten 60 Jahre ist ihr Gewinnwachstum konstant gestiegen, und sie haben selbst schwere wirtschaftliche und geopolitische Schocks überwunden. Die Standortfaktoren, die die USA seit Langem auszeichnen – von Innovation über Bildung bis hin zur Unternehmenskultur –, sind auch heute noch wichtige Treiber für Aktienerträge. Entscheidend ist allerdings, wie Anleger sich Zugang zu diesen Erträgen verschaffen. Wir halten eine Allokation in US-Aktien in Kombination mit disziplinierten aktiven Strategien, die sämtliche Anlagestile abdecken, für die beste Möglichkeit, einem sich verändernden Markt zu begegnen.

Verstärkter Fokus auf die „Glorreichen Anderen“

Die ausgeprägten Verluste der „Glorreichen Sieben“ im ersten Quartal haben uns die Risiken konzentrierter Ansätze noch einmal deutlich vor Augen geführt. Unter den Mega-Caps finden sich erstklassige Unternehmen, die die KI-Revolution federführend vorantreiben – doch selbst solch großartige Unternehmen können ein Anlagerisiko darstellen. Unserer Ansicht nach sollte jeder Titel im Einklang mit der Anlagephilosophie eines Portfolios stehen und in einer angemessenen Gewichtung gehalten werden, denn revolutionäre Unternehmen können selbst wieder Revolutionen zum Opfer fallen.

Die beispiellosen Ereignisse rund um die Handelspolitik erinnern uns auch daran, dass eine gründliche Unternehmensanalyse entscheidend ist, um Möglichkeiten zur langfristigen Vermögensbildung zu entdecken. Unserer Ansicht nach müssen Anleger heute die Widerstandsfähigkeit der Unternehmensmargen angesichts von Angebots- und Wachstumsschocks sowie die Auswirkungen anderer disruptiver Kräfte wie DeepSeek auf die KI-Megacaps in den USA verstehen. Wir sehen auch weiterhin attraktive Anlagegelegenheiten unter den Unternehmen, die wir die „Glorreichen Anderen“ nennen. Es handelt sich dabei um hochwertige Unternehmen, die verschiedenen Sektoren und Anlagestilen zuzuordnen sind und die solide Bilanzen sowie stetige Einkommensströme aufweisen.

Der Blick über den Tellerrand: Eine historische Einordnung der Volatilität

Natürlich sind auch diversifizierte Portfolios nicht immun gegen Volatilität. Mit Blick auf den Rücksetzer des S&P 500 um 10,1% im ersten Quartal 2025 denken wir allerdings, dass eine historische Einordnung Anlegern helfen kann, mit Turbulenzen am Markt umzugehen.

Anleger in US-Aktien können in jedem Kalenderjahr mit deutlich wahrnehmbaren Kursrückgängen rechnen. Tatsächlich liegt die Differenz zwischen Höchst- und Tiefststand bei Rücksetzern des S&P 500 innerhalb eines Kalenderjahres seit 1980 bei durchschnittlich 14%. Trotz Marktverwerfungen – von Wirtschaftskrisen bis hin zu einer epochalen Pandemie – schloss der S&P 500 in 36 der vergangenen 44 Jahre auf jeweils höherem Niveau ab (Abbildung).

US-Aktien: Anstieg in den meisten Jahren – trotz unterjähriger Korrekturen
US-Aktien: Anstieg in den meisten Jahren – trotz unterjähriger Korrekturen

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Stand: 31. Dezember 2024
Quelle: FactSet, S&P und AB

Das vergangene Quartal war auf mehreren Ebenen lehrreich: Der Rückgang bei hochpreisigen Mega-Cap-Aktien hat gezeigt, dass Bewertungen nach wie vor wichtig sind. Es wurde auch deutlich, dass die Konsensmeinung in manchen Fällen vollkommen an der Realität vorbeigeht. So war zum Beispiel noch zu Jahresbeginn die Erwartung vorherrschend, dass US-Unternehmen und -Aktien ganz und gar unzweifelhaft von Trumps Politik profitieren würden.

In diesem sich verändernden Umfeld kann ein geografisch diversifiziertes Portfolio dabei helfen, an einem breiter verteilten Gewinnwachstum teilzuhaben. In diesem Zuge kann es auch zu einem Ausgleich der Inflation beitragen. Bei einer hartnäckigen Inflation müssen unsere Anlagen mehr leisten, um Erträge zu erzielen. In der Regel besteht ein Zusammenhang zwischen Inflation und höheren Nominalgewinnen, die wiederum Treiber der Aktienmarktrenditen sind. Deshalb können Aktien auf eine lange Geschichte positiver realer Erträge zurückblicken, die über der Inflationsrate lagen.

Wir wurden zudem daran erinnert, dass Volatilität zwangsläufig mit langfristigen Investitionen am Aktienmarkt einhergeht, und dass Diversifizierung eines der besten Gegenmittel ist. Anleger sollten auf Marktturbulenzen und politische Ungewissheit vorbereitet sein, insbesondere im Hinblick auf das Tempo und den Umfang der Zollmaßnahmen und die davon betroffenen Branchen. Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer inmitten der trüben Marktstimmung in diesem Jahr: ein weniger stark konzentriertes Aktienumfeld, von dem geduldige Anleger auf der Suche nach Unternehmen mit starken Fundamentaldaten profitieren könnten, sowie attraktivere Bewertungen für all diejenigen, die entschlossen an ihren langfristigen Zielen festhalten.

In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden. 

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