Sollte man weiterhin auf Multi-Asset-Anlagen in den USA setzen?

08. Mai 2024
4 min read

Wir sehen immer noch viel Potenzial in den US-Kapitalmärkten. Das gilt vor allem für Anleger, die in der Lage sind, in verschiedene Anlageklassen zu investieren.

In Anbetracht der aktuellen Rekordstände des S&P 500 mögen sich Anleger vielleicht fragen, ob es an der Zeit ist, sich von den USA abzuwenden und andere Anlagechancen zu suchen. Zweifellos zeichnen sich Risiken für die US-Kapitalmärkte ab, doch unserer Einschätzung nach bieten sie weiterhin ein attraktives Anlagepotenzial – insbesondere für Anleger mit einem flexiblen, anpassungsfähigen Multi-Asset-Ansatz.

Die USA standen 2023 an der Spitze einer unverhofft guten Entwicklung der Weltwirtschaft. 2024 wird sich die globale Dynamik voraussichtlich abschwächen. Gleichwohl erwarten wir, dass der Abstand zwischen den USA und den übrigen Industrieländern bestehen bleibt und dass die USA die größte Chance auf eine sanfte Landung haben. 

Obwohl die Aktienbewertungen in bestimmten Bereichen hoch angesetzt erscheinen, sehen wir ein anhaltendes Wachstumspotenzial. Grund dafür sind langfristige Trends, die sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich zum Vorteil von US-Unternehmen auswirken dürften. Zudem sind die Tiefe und die Breite der Anlageoptionen an den US-Märkten unübertroffen. Für Anleger bieten sich somit Ertragschancen und Diversifizierungsmöglichkeiten, um das Risiko zu steuern.

Werfen wir einen genaueren Blick auf die Hauptrisiken, die Anleger in Unruhe versetzen, und auf die Gründe für unsere Einschätzung, dass die USA gut für mögliche Turbulenzen aufgestellt sind. 

Sind Technologieaktien zu hoch bewertet? Nicht, wenn wir die Gewinne betrachten

Es ist leicht zu verstehen, dass Anleger sich fragen, ob die Rally im Technologiesektor inzwischen ausgereizt ist. Technologiewerte haben den US-Märkten jahrelang viel Auftrieb gegeben, zuletzt dank einer Reihe von elitären Überfliegern. Die sogenannten Glorreichen Sieben waren allein 2023 für 58% der Erträge des S&P 500 verantwortlich. Diese Dynamik hat sich bis in das Jahr 2024 fortgesetzt. Unserer Ansicht nach sollten die Anleger jedoch noch abwarten, bevor sie aussteigen.

Die Bewertungen dieser Mega-Cap-Technologieaktien mögen in absoluten Zahlen hoch erscheinen, doch im historischen Kontext gesehen wirken sie in Anbetracht ihrer beeindruckenden Gewinnentwicklung weniger exzessiv. Tatsächlich liegt das Verhältnis zwischen dem prognostizierten 12-Monats-KGV der Glorreichen Sieben und dem des breiteren Marktes deutlich unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Abbildung).

Bewertungen der Glorreichen Sieben wirken vor dem Hintergrund starker Gewinne weniger exzessiv
Bewertungen der Glorreichen Sieben wirken vor dem Hintergrund starker Gewinne weniger exzessiv

Nur zu Veranschaulichungszwecken. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Die Abbildung vergleicht das prognostizierte 12-Monats-KGV des Bloomberg Magnificent Seven Index mit dem des Bloomberg US Large Cap ex Magnificent Seven Index.
Bis 17. April 2024
Quelle: Bloomberg und AB

Zudem entwickeln sich die Gewinne innerhalb der Gruppe der Glorreichen Sieben weit weniger einheitlich als von den Anlegern angenommen, was zu gewissen Disparitäten bei der Wertentwicklung im bisherigen Jahresverlauf geführt hat. Tesla verzeichnete etwa ein schwächeres Ergebnis im vierten Quartal, nachdem das Unternehmen einen starken Rückgang der Auslieferungen meldete. Die Gewinne von NVIDIA lagen hingegen dank der boomenden Nachfrage nach Geräten und Dienstleistungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) über den Erwartungen. KI ist auch weiterhin auf dem Vormarsch; bei der Suche nach Anlagechancen ist jedoch ein sehr selektives Vorgehen geboten, da am Markt zunehmend die fundamentale Entwicklung als Kriterium herangezogen wird, um höhere Bewertungen zu rechtfertigen. 

Auch jenseits dieser Überflieger gibt es Potenzial im breiteren Aktienmarkt, wo Gewinne voraussichtlich mehr Gewicht haben werden, wenn sich die Wirtschaft abkühlt. Ein stärkeres Gewinnwachstum hat schon seit längerer Zeit die anhaltend überdurchschnittliche Wertentwicklung am US-Aktienmarkt angetrieben (Abbildung). Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird, da Unternehmen mit einem beständigen profitablen Wachstum die Hoffnungsträger in einem Umfeld gedämpfter Erträge sein dürften.

Stärkere Gewinne von US-Unternehmen haben ihre überdurchschnittliche Wertentwicklung angetrieben
Stärkere Gewinne von US-Unternehmen haben ihre überdurchschnittliche Wertentwicklung angetrieben

Nur zu Veranschaulichungszwecken. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
USA dargestellt durch den S&P 500 Index, Welt ohne USA dargestellt durch den MSCI World ex USA Index, Europa dargestellt durch den MSCI Europe Index.
Bis 17. April 2024
Quelle: Bloomberg, MSCI, S&P und AB

Wenn die Inflation hartnäckig ist, könnte die Preismacht ausschlaggebend sein

Nach ihrem Höchststand im Jahr 2022 ging die Inflation 2023 stetig zurück. Anfang 2024 begann die Entwicklung, sich zu verlangsamen. Diese kurzfristigen Ausschläge werden wahrscheinlich den Zinssenkungszyklus der Federal Reserve verzögern, sodass die Zinssätze für den Rest des Jahres auf einem höheren Niveau verbleiben dürften. 

Die weniger günstigen Inflationszahlen in den ersten Monaten des Jahres haben die Märkte verunsichert. Unserer Ansicht nach sollten sich die Anleger jedoch auf den längerfristigen Trend konzentrieren, der abwärts gerichtet ist. Wir rechnen auch weiterhin mit ungleichmäßigen Fortschritten und erwarten einen positiven Effekt auf Risikoanlagen, einschließlich Aktien. Wir halten es für ratsam, auf profitable Unternehmen mit starker Preismacht zu setzen, die in der Lage sind, die erhöhten Kosten an die Kunden weiterzugeben. Wir betrachten diese Eigenschaft als zusätzlichen Qualitätsindikator, der einigen Unternehmen vor dem Hintergrund einer hartnäckigen Inflation Auftrieb geben kann.

Gut für Aktien und Anleihen: Eine sanfte Landung ist noch möglich

Bislang haben sich die US-Anleihemärkte im laufenden Jahr der Tatsache gebeugt, dass die Zinsen noch länger auf einem erhöhten Niveau bleiben, und die schmerzlichen Konsequenzen hingenommen. Die Renditen von US-Treasuries sind wieder auf einen Stand zurückgefallen, wie er noch vor den Bewegungen im Dezember zu beobachten war, während sich Anleger auf das spätere Eintreten einer geldpolitischen Lockerung einrichten.

Dennoch glauben wir, dass für die US-Wirtschaft weiterhin eine weiche Landung möglich ist, was sich positiv auf die Aktienmärkte auswirken sollte. Auch am Anleihenmarkt sind die Aussichten gut. Die Renditen sind attraktiv, und sobald die Fed ihre Geldpolitik lockert und die Zinsen sinken, dürften sich Anleihen mit höherer Duration (Zinssensitivität) gut entwickeln. Sie könnten auch mögliche geopolitische Schocks abfedern, falls regionale Konflikte eskalieren sollten. 

Höher verzinsliche Anleihen könnten derweil ergänzend zu Aktien in einem Umfeld mit moderatem Wachstum eine attraktive Carry und zusätzliche Renditen bieten. Die Kreditspreads für US-Unternehmensanleihen scheinen sich zwar am unteren Ende ihrer historischen Bandbreiten zu bewegen, aber dennoch sehen wir weiterhin überzeugende Gesamtrenditen. Außerdem werden die Emittenten zunehmend durch solide Fundamentaldaten gestützt, da sich die grundlegende Qualität der Unternehmen seit der COVID-19-Pandemie nach und nach verbessert hat. Maßgeblich dafür sind bessere Erträge, gesunde Bilanzen und der pandemiebedingte Ausfallzyklus, durch den einige schwächere Teile des Marktes ausgemustert wurden.

US-Wahlen: große Sorgen, voraussichtlich geringe Marktauswirkungen

Der wirtschaftliche Ausblick mag sich aus Sicht der Anleger aufhellen, doch in vielen Fällen werden die bevorstehenden US-Wahlen und ihre Folgen für sie zu einer neuen Quelle der Verunsicherung. Es ist verständlich, dass man sich auf die Marktauswirkungen eines Wahlzyklus vorbereiten möchte, der ein erhebliches Spaltungspotenzial hat. Unsere Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Wahlen in der Vergangenheit keinen allzu dramatischen Einfluss hatten. 

Die Aktienerträge in Wahljahren entsprachen in der Regel den historischen Durchschnittswerten (Abbildung links), wobei anzumerken ist, dass die kurzfristige Volatilität tendenziell steigt (Abbildung rechts). Vor diesem Hintergrund ist es umso notwendiger, einen aktiven Ansatz zu verfolgen, der die Suche nach Diversifizierungsmöglichkeiten einschließt.

In Wahljahren haben sich Aktien generell gut entwickelt und Risiken zugleich zugenommen
In Wahljahren haben sich Aktien generell gut entwickelt und Risiken zugleich zugenommen

Nur zu Veranschaulichungszwecken. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Stand: 17. April 2024
Quelle: Bank of America US Equity and Quant Strategy, Bloomberg und AB

Insgesamt gesehen standen die USA 2023 an der Spitze einer unverhofft guten Entwicklung der Weltwirtschaft, und wir glauben, dass sie noch deutlich länger solide aufgestellt bleiben werden. Das Wachstum schwächt sich ab, aber die USA dürften sich auf längere Sicht als widerstandsfähiger erweisen als ihre Wettbewerber in den Industrieländern. In einem wechselhaften makroökonomischen Umfeld kann sich ein flexibler Multi-Asset-Ansatz, der alle Anlageklassen abdeckt, unserer Einschätzung nach als vorteilhaft erweisen: Dabei gilt es, an den Aktienmärkten auf Unternehmen mit langfristig robustem Wachstum und guter Rentabilität zu setzen und sie mit Anleihen zu kombinieren, die eine attraktive Carry bieten und eine Diversifizierung gewährleisten, um das Risiko einer höheren Volatilität abzufedern.

Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.