Das globale Klima ist ein enorm komplexes System, und mit der Verschärfung des Klimawandels werden schädliche Klimaereignisse kaskadenartig aufeinander folgen. Ein Beispiel: Das schrumpfende arktische Meereis führt zu Veränderungen in der Temperaturzirkulation im Atlantik, was wiederum zu häufigeren Dürren im Amazonasregenwald führt. Die Wechselwirkungen sind weitreichend und von globalem Ausmaß.
Sie stellen auch eine Herausforderung für Anleger dar, wenn es darum geht, den Klimawandel in Risiken und Chancen für einzelne Emittenten zu übersetzen und sich für eine bessere Strategie und Unternehmensführung einzusetzen. Eine genauere Kenntnis der Klimawissenschaft kann diese Instrumente schärfen. Das könnte bedeuten, dass sich Übergangsrisiken und physische Klimarisiken besser in den Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen abbilden lassen.
Die Verknüpfung von Klimawissenschaft und Kapitalanlage kann Anlegern auch bei der Beantwortung allgemeinerer Fragen helfen. Das ist das Ziel einer Reihe von gemeinsamen Forschungsinitiativen zwischen AB-Investmentteams und Klimaexperten der Columbia Climate School. Die Themen sind vielfältig – von der Beständigkeit erneuerbarer Energiequellen bis hin zu den Beziehungen zwischen den Veränderungen der Ozeane und den Lachsfarmen in der Nordsee.
Zuverlässigkeit der erneuerbaren Energien: Wie beständig wird der Wind wehen?
Erneuerbare Energien wie Sonnen- oder Windenergie sind wichtige Bausteine für den Übergang zu einer Welt ohne CO2-Emissionen. Allerdings scheint die Sonne nicht immer, und der Wind weht nicht immer. Diese Ungewissheit kann den Anlegern bei der Bewertung neuer Energieprojekte einen Strich durch die Rechnung machen – und das oft schon nach kurzer Zeit. Das finanzielle Potenzial eines geplanten Windparks hängt zum Beispiel stark davon ab, wie beständig die Windströmungen an dem jeweiligen Standort sind. Die Prognosen der Emittenten sind oft zu rosig, und die verfügbaren historischen Daten erfassen möglicherweise nicht die klimatischen Veränderungen, die wir heute schon beobachten. Können Anleger neue Erkenntnisse gewinnen, die Aufschluss darüber geben, wie sich lokale Klimamuster und -veränderungen auf erneuerbare Energiequellen auswirken?
Die AB-Investoren und die Klimaspezialisten der Columbia Climate School suchen nach Wegen, um diese Frage zu beantworten. Dazu gehört auch der Zugriff auf eine umfangreiche globale Datenbank mit Windmustern in Gebieten wie Brasilien, Indien, Südafrika und Chile. Eine Herausforderung bei der Entwicklung der Initiative besteht darin, dass nicht alle Länder über eine umfassende Abdeckung durch Wetterüberwachungsstationen verfügen. Ein Beispiel dafür ist Indien: Dort gibt es landesweit nur achtzehn Stationen.
Zusammenhang zwischen Meerestemperaturen und Lachszucht
Die Lachsaquakultur ist eine schnell wachsende Branche. Sie erfordert einen komplexen, mehrstufigen Prozess, der Lagerbecken an Land und auf See, Süß- und Salzwasserbetriebe und Anlagen mit streng kontrollierten Temperaturbereichen umfasst.
Steigende Meerestemperaturen und Meeresspiegel als Folge des Klimawandels können dieses sorgfältige Gleichgewicht stören – und damit auch das finanzielle Schicksal der Lachsfischerei. Das gilt auch für sekundäre Auswirkungen wie schädliche Algenblüten und Seeläuse. Die Fähigkeit der Lachszüchter, mit diesen Faktoren umzugehen, kann den Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem angeschlagenen Unternehmen ausmachen.
Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von AB und Columbia versucht, den Anlegern einen besseren Einblick in die möglichen Veränderungen der Wassertemperaturen und -stände in den Lachszuchtgebieten zu verschaffen und möglicherweise auch ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, welche Gebiete durch die Migration von Algenblüten stärker gefährdet sind. Beide Faktoren können beträchtliche Auswirkungen auf einzelne Lachsfarmen haben.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dass die Klimaschwankungen für die Lachsfarmen, die sich um die Fjorde an der norwegischen Nordseeküste – dem größten Lachsproduzenten der Welt – gruppieren, extrem lokal sind. Ein Ansatz, den die Arbeitsgruppe in Erwägung zieht, ist die Aufteilung des Landes in Regionen, die Bewertung der ozeanischen Basisbedingungen und mögliche Schwankungen. Mit diesem Wissen könnten Anleger einzelne Betriebe Risikokohorten zuordnen.
Bahnbrechende Entwicklungen in der synthetischen Biologie
Synthetische Biologie ist die Wissenschaft von der Veränderung von Genomen – den genetischen Anweisungen für einen Organismus – zur Schaffung neuartiger Organismen. Dieser Prozess kann innovative Rohstoffe und Dienstleistungen sowie eine breite Palette neuer Produkte – von Medikamenten bis hin zu Klebstoffen – hervorbringen.
Diese Wissenschaft hat das Potenzial, den ökologischen Fußabdruck unseres täglichen Lebens zu verändern, sei es durch die Verwendung von atmosphärischem Kohlendioxid als Produktionsmittel oder durch die Entwicklung vollständig biologisch abbaubarer Uhrenarmbänder aus Spinnenseide. In zunehmendem Maße können Fortschritte einzelner Unternehmen Fortschritte bei der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ermöglichen – und auf dem Weg dorthin Anlagechancen schaffen.
Es ist nicht einfach, diese zukünftigen Chancen heute zu erkennen. Aus diesem Grund arbeitet AB in einem breit angelegten Projekt mit Experten der Columbia University aus den Bereichen Geo- und Umwelttechnik, Biomedizintechnik und Chemieingenieurwesen zusammen, um den Stand der Technik in der synthetischen Biologie, die Trends, die eine breitere kommerzielle Nutzung vorantreiben könnten, und die möglichen Umweltanwendungen besser zu verstehen.
Erfassung physischer Risiken
Unzählige Anlageentscheidungen setzen Portfolios dem Risiko von Naturkatastrophen aus, insbesondere solchen, die durch den Klimawandel verstärkt werden. Bestehende Instrumente, die Geodaten zur Information über Gefahrenrisiken verwenden, sind nicht so effektiv, wie sie sein könnten – ihnen fehlt möglicherweise der erforderliche Präzisionsgrad, sie schließen Daten zum Klimawandel aus oder haben Datenprobleme.
AB arbeitet mit dem National Center for Disaster Preparedness (NCDP) am Earth Institute der Columbia University zusammen, um den US Natural Hazards Index (NHI) des Zentrums zu verbessern, der 2017 entwickelt wurde, um US-Haushalte bei der Vorbereitung auf Notfälle zu unterstützen. Der beliebte Index wird auch von Unternehmen eingesetzt, zum Beispiel im Bankensektor und bei Ratings für kommunale Anleihen.
Im Rahmen des gemeinsamen Projekts sollen die Daten verbessert und neue Daten zu Gefahren und sozialer Anfälligkeit hinzugefügt werden. Außerdem sollen AB-Datenquellen für die Integration identifiziert und neue Funktionen in Betracht gezogen werden, etwa die Möglichkeit, Portfoliobestände zur Risikobewertung hochzuladen. In Zukunft wird das Team daran arbeiten, Prognosen zum Klimawandel zu integrieren, um künftige Risiken besser berücksichtigen zu können und möglicherweise internationale Versionen des Programms zu entwickeln.
Ob es um die Risikobewertung in der Lachsfischerei oder um die Entwicklung eines tieferen Verständnisses der synthetischen Biologie geht, diese gemeinsamen Forschungsinitiativen stehen im Mittelpunkt der Verknüpfung von Klimawissenschaft und Kapitalanlage. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie sich Klimawissen in bessere Anlageentscheidungen – und letztlich in bessere Ergebnisse – umsetzen lässt.