Die Kapitalmärkte konzentrieren sich derzeit stark auf die erwartete Abkehr von der Quantitativen Lockerung (QE) in den USA. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich diese Aufmerksamkeit bald auf einen anderen Übergang richten wird – einen möglichen Führungswechsel bei der Federal Reserve selbst.
Die Amtszeit von Jay Powell als Vorsitzender des Gouverneursrats der Fed läuft im kommenden Februar aus, und eine Ankündigung über seine Zukunft wird wahrscheinlich von US-Präsident Joe Biden im Herbst erfolgen. Powells Sitz ist nicht der einzige, der in der Schwebe ist: Die Amtszeit des stellvertretenden Vorsitzenden Richard Clarida läuft im Januar aus, und Randal Quarles’ Amtszeit als stellvertretender Vorsitzender für die Aufsicht läuft nächsten Monat ab – seine Amtszeit als Fed-Gouverneur allerdings nicht.
Wieder Powell … oder vielleicht Brainard?
Mit drei möglichen Abgängen und einem bereits vakanten Sitz wird die Biden-Regierung die Möglichkeit haben, in den nächsten Monaten bis zu vier der sieben Gouverneure der Fed auszuwählen (nicht jeder Sitz wird zwangsläufig wechseln). Unserer Meinung nach stehen die Chancen gut, dass Powell wieder ernannt wird: Er genießt in beiden politischen Parteien breite Unterstützung für seine Geldpolitik.
Sollte Biden jedoch beschließen, Powell zu ersetzen, oder sollte Powell eine Wiederernennung ablehnen, wäre die derzeitige Fed-Gouverneurin Lael Brainard, die seit 2014 im Amt ist, die wahrscheinlichste Nachfolgerin. Wir würden keine Änderung des geldpolitischen Kurses erwarten, falls sie die Zügel übernehmen sollte. Die Kontinuität der Politik wäre auch ein Kriterium, das man bei externen Kandidaten prüfen sollte: Der derzeitige Ansatz hat der Wirtschaft während der Pandemie gute Dienste geleistet und scheint sich allmählich zu normalisieren. Ein neuer Vorsitzender würde nicht darauf erpicht sein, diese Entwicklung ins Wanken zu bringen.
Strenger bei der Bankenregulierung
Die Kritik, die der US-Kongress an Powell geäußert hat, konzentriert sich weitgehend auf die Regulierung: Einige Kritiker sehen eine zu große Rücksichtnahme auf den Finanzsektor, insbesondere auf die Großbanken.
Aus diesem Grund erwarten wir nicht, dass Quarles als für die Bankenaufsicht zuständiger Vizepräsident wieder ernannt wird. Es ist wahrscheinlich, dass Brainard, falls sie nicht zur Vorsitzenden ernannt werden sollte, ebenfalls eine Kandidatin für diese Rolle ist. Als versierte und erfahrene Regulierungsexpertin hat sich Brainard für eine aktivere Aufsicht ausgesprochen – eine Haltung, die den Parlamentariern gefallen dürfte, die eine strengere Durchsetzung der Regulierungsrichtlinien fordern.
Während die meisten Mitglieder die Fed verlassen, wenn ihre Amtszeit als stellvertretender Vorsitzender ausläuft, hat Quarles angedeutet, dass er zumindest erwägt, als Gouverneur im Amt zu bleiben. Das wäre ein zwar unwahrscheinlicher Bruch mit der bisherigen Praxis, aber durchaus denkbar. Zumindest könnte er sich dafür entscheiden, so lange zu bleiben, bis ein neuer stellvertretender Vorsitzender bestätigt ist, um zu verhindern, dass die Regulierungsinfrastruktur der Fed unterbesetzt ist.
Die Amtszeit des stellvertretenden Vorsitzenden Clarida läuft Ende Januar aus, und sein Ausscheiden scheint so gut wie sicher. Wir glauben, dass Biden sich außerhalb der Fed umsehen wird, um diesen Sitz sowie den derzeit offenen Sitz zu besetzen. In Anbetracht der derzeitigen Zusammensetzung des Gremiums gehen wir davon aus, dass sich eine externe Suche auf Kandidaten konzentrieren wird, die eine vielfältige Perspektive in den Offenmarktausschuss der Fed einbringen können.
Geldpolitische Auswirkungen sind mit Fragezeichen versehen
Was bedeuten all diese potenziellen Personalrochaden für die Geldpolitik?
Da die Biden-Regierung wahrscheinlich Wert auf Kontinuität legt, spricht vieles dafür, die Stabilität der Fed zu betonen. Daher sind personelle Veränderungen, die zu einer Kurskorrektur in der Geldpolitik führen würden, eher unwahrscheinlich – vor allem, wenn Powell wieder zum Vorsitzenden ernannt wird.
Langfristig könnte eine neue Mischung in den Reihen der Fed mehr Einfluss haben. Im Moment ist die Zentralbank bereit, eine höhere Inflation zu tolerieren, wenn dies zu einer solideren Beschäftigung führt. Wenn Biden Gouverneure ernennt, die diese Ansicht teilen, könnte die Inflationstoleranz zu einer längerfristigen Politik werden. Auch könnte der Finanzsektor von einer strengeren Regulierung betroffen sein, wobei vor allem die großen Banken an die kurze Leine genommen werden.
Weitere Auswirkungen des Führungswechsels bei der Fed werden im Laufe der Zeit zu beobachten sein. Da die Fed jedoch ein wichtiger Akteur in der Wirtschaftspolitik – auch global – bleibt, werden die Ernennungen, die bei dieser Umbesetzung vorgenommen werden, in den kommenden Jahren sicherlich von Bedeutung sein.