Ausblick für US-Gewerbeimmobilien

Mit Qualität in ruhigere Gewässer

28. April 2023
6 min read

Die COVID-19-Pandemie hat unsere Arbeits- und Lebensweise durch langfristige Veränderungen und die Beschleunigung bereits angestoßener Trends auf den Kopf gestellt. Für Anleger in Gewerbeimmobilien hat dieser Wandel zu gemischten Ergebnissen geführt.

Kleine Einzelhändler litten unter dem eiligen Übergang zum Onlinehandel, und die Arbeit aus dem Homeoffice sorgte für leere Bürogebäude. Die Pandemie sorgte jedoch auch für einen Bauboom bei Lagerhallen und Nachholbedarf bei Reise- und Freizeit-Ausgaben, der sich nach der Wiederöffnung der Volkswirtschaften bemerkbar machte. Dies sind nur einige Beispiele für die Vielfalt des Gewerbeimmobiliensektors.

Die jüngsten Turbulenzen im Bankgewerbe lösten erneut Bedenken aus, dass der Seitenwind, der am Gewerbeimmobiliensektor rüttelt, in Gegenwind drehen könnte. Besonders problematisch ist die Lage für mittelgroße und regionale Banken, die durch Gewerbeimmobilien besicherte Wertpapiere (Commercial Mortgage-Backed Securities, CMBS) erwerben und aktive Kreditgeber bei Gewerbeimmobilienprojekten sind. Wenn sich die Regionalbanken aus dem Kreditgeschäft zurückziehen, könnte dies zu einer Kreditklemme führen, die sich negativ auf die Immobilienpreise auswirken würde.

Gewerbeimmobilien stehen zwar zweifelsohne einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber, die Probleme der Banken sind unseres Erachtens jedoch überwiegend spezifisch und nicht systemisch. Darüber hinaus lässt sich der Gewerbeimmobilienmarkt aufgrund seiner Vielfalt nicht über einen Kamm scheren, denn die Fundamentaldaten sind je nach Immobilienart, Standort und Qualität schlicht zu unterschiedlich. Sorgfältige Due-Diligence-Prüfungen und die richtige Standortwahl sind für Anleger heute daher wichtiger denn je.

Bei eingeschränkter Kreditvergabe entscheidet die Qualität

Hypothekenbesicherte Wertpapiere spielen eine wichtige Rolle bei der Kreditvergabe für Gewerbeimmobilien, da sie für mehr als 13% der ausstehenden Hypothekenschulden für Gewerbeimmobilien und Mehrfamilienhäuser stehen. CMBS umfassen Hypotheken, mit denen der Kauf von Hotels, Bürogebäuden, Mehrfamilienhäusern und sonstigen Gewerbeimmobilien finanziert wird.

Im Zuge der Ausgabe von CMBS werden einzelne Hypotheken zu einem Pool zusammengefasst und als geratete Wertpapiere verbrieft, die dann in unterschiedliche Bonitätstranchen aufgeteilt werden. Am oberen Ende finden sich Papiere mit AAA-Rating, die ein relativ geringes Kreditrisiko aufweisen. Diese oberen Tranchen profitieren häufig von Bonitätsverbesserungen (Credit Enhancements), die Anleger in gewissem Umfang vor potenziellen Verlusten schützen. Demgegenüber tragen die Inhaber der weiter unten im Kreditspektrum angesiedelten Tranchen im Gegenzug für höhere Renditen den Löwenanteil des Kreditrisikos (Abbildung).

CMBS-Tranchen mit höherem Rating profitieren häufig von stärkeren Bonitätsverbesserungen
Bonitätsverbesserungen bei Neuemissionen ggü. von AB modellierten Verlustszenarien (Prozent)
CMBS-Tranchen mit höherem Rating profitieren häufig von stärkeren Bonitätsverbesserungen

Historische Analysen sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Das Basisszenario umfasst eine sofortige Rezession über zwei Jahre, gefolgt von einer Stabilisierung und einer Erholung, bei einer Ausfallrate von 38% bei Bürogebäuden (nach Marktwert) und einem Rückgang der Mieten für Büroflächen um 5%. „Stressszenario Bürogebäude“ beinhaltet die Annahmen des Basisszenarios, jedoch bei einer Ausfallrate von 68% bei Bürogebäuden und einem Mietrückgang um 10%. Die Annahmen zu den Mieten umfassen spezielle Mietsenkungen in stärker unter Druck stehenden Handels- und Geschäftsvierteln.
Stand: 31. März 2023
Quelle: Bloomberg, Real Capital Analytics, Trepp und AB

Eine andere Art von CMBS besteht aus einem einzelnen Kredit, der durch eine oder mehrere Immobilien im Rahmen einer SASB-Transaktion (Single-Asset Single-Borrower) besichert ist. Dabei wird das Risiko in ähnlicher Weise auf geratete Tranchen verteilt.

Unseres Erachtens sollten sich Anleger im aktuellen Umfeld zum Schutz vor Negativszenarien auf hochwertigere Tranchen konzentrieren. Wir sehen jedoch auch Gelegenheiten bei einigen Papieren mit niedrigerem Rating und günstigem Risiko-Rendite-Profil.

An dieser Stelle hilft eine historische Einordnung: Selbst in der schlimmsten Phase der weltweiten Finanzkrise, in der das Vertrauen in hypothekenbesicherte Wertpapiere am Boden lag, verzeichneten CMBS mit AAA-Rating und mindestens 20% Bonitätsverbesserungen keine Verluste – und seither sind die Bonitätsverbesserungen gestiegen.

Der Jahrgang zählt: neuer ist nicht automatisch besser

Anleger sollten zudem unbedingt beachten, wann die Wertpapiere begeben wurden. Ältere CMBS-Jahrgänge – insbesondere der Jahre 2014–2018 – haben vom Anstieg der Immobilienpreise und den aktuell höheren Bonitätsverbesserungen profitiert.

Demgegenüber sind die Kredite, die Anleihen neuerer Jahrgänge zugrunde liegen, dem angeschlagenen Bürosektor stärker ausgesetzt (Abbildung). Darüber hinaus gestaltet sich ihre Refinanzierung schwieriger, und die zugrunde liegenden Immobilien haben nur wenig oder gar nicht an Wert gewonnen. Aus diesen Gründen sollten sich Anleger bei jüngeren CMBS auf die hochwertigsten Tranchen konzentrieren.

Neuere Jahrgänge mit größerem Exposure ggü. Bürogebäuden
CMBS-Exposure nach Jahrgang (Prozent)
Neuere Jahrgänge mit größerem Exposure ggü. Bürogebäuden

Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.
Stand: 31. März 2023
Quelle: Bloomberg und Alliance Bernstein (AB)

Beurteilung verschiedener Immobilienarten

Die Versuchung ist groß, den Gewerbeimmobilienmarkt als Ganzes zu betrachten. Es handelt sich jedoch um einen komplexen Sektor, und nicht alle Immobilienarten sind gleich gut aufgestellt.
 

  • Büros: Die größten Bedenken haben wir im Hinblick auf das Bürosegment, da die Nachfrage nach Büroflächen insbesondere im Technologiesektor gesunken ist. Jüngere CMBS-Jahrgänge haben zwar ein stärkeres Exposure gegenüber Büroflächen, dieses Risiko wird jedoch teilweise durch längerfristige Mietverträge gemindert, die mehr Spielraum für eine Neuvermietung bieten. Dies schafft unseres Erachtens die Voraussetzungen für einen schrittweisen Anstieg der Zahlungsausfälle, da die Neuvermietung nach Auslaufen der Mietverträge Änderungen erfordert. Ältere CMBS profitierten hingegen von einer Entschuldung sowie einem geringeren Exposure gegenüber Büroräumen.
  • Einzelhandel, regionale Einkaufszentren: Einkaufszentren mit geringerem Umsatz pro Quadratmeter (insbesondere im Dienstleistungssektor) geben weiterhin Anlass zur Sorge. Viele Eigentümer scheuen Investitionen in bauliche Verbesserungen, sofern sie dafür keine angemessene Kapitalrendite erkennen können. In Anbetracht der Kreditbeschränkungen sind wir in Bezug auf ältere CMBS, die durch Einkaufszentren geringerer Qualität besichert sind, vorsichtig, und wir erwarten weitere Kreditverlängerungen und einige Ausfälle. Im Gegensatz dazu haben hochwertigere Immobilien, insbesondere in wachsenden Märkten, die sich auf kreative Weise an die sich verändernden Verbrauchervorlieben angepasst haben, Aufwärtspotenzial.
  • Einzelhandel, ohne Einkaufszentren: Einzelhandelsflächen außerhalb von Einkaufszentren haben sich als überraschend widerstandsfähig erwiesen, da sie von den hohen Verbraucherausgaben und Ausgaben für Basiskonsumgüter profitierten. Zudem konnten viele Einzelhändler ihre Immobilien refinanzieren und so die Finanzierungskosten unter Kontrolle halten.
  • Beherbergung: Kostensenkungen von Unternehmen und die Reduzierung des Dienstreiseaufkommens haben Full-Service-Hotels mit einem Schwerpunkt auf Geschäftskunden unter Druck gesetzt. Limited-Service-Hotels haben hingegen vom Anstieg bei Inlands- und Freizeitreisen profitiert. Diese Hotels haben zudem niedrigere Gewinnschwellen und daher einen größeren finanziellen Puffer.
  • Mehrfamilienhäuser: Ein Angebotsmangel bei Wohnimmobilien, hohe Preise für Einfamilienhäuser und relativ hohe Darlehenszinsen haben dem Segment der Mehrfamilienhäuser Auftrieb verliehen. Die gestiegenen Arbeits-, Material- und Finanzierungskosten könnten Neubauten in den kommenden Jahren erschweren, was die solide Nachfrage nach Bestandsimmobilien weiter stärken würde. Wir erwarten daher, dass die entsprechenden Kredite von langsam, aber konstant steigenden Mieten profitieren werden.
  • Industrie: Lagerhallen und Datenzentren gehörten dank des Wachstums in den Bereichen Onlinehandel und Cloud-Computing zu den größten Gewinnern. Obwohl die Mieten beständig gestiegen sind, dürfte sich das Wachstum in diesem Segment unseres Erachtens verlangsamen, wenn die Wirtschaft schwächelt und größere Kunden keine neuen Mietverträge abschließen.

Der Weg dürfte steinig werden, hochwertige Kredite dürften jedoch vorne liegen

Wir erwarten, dass Gewerbeimmobilien weiterhin mit Herausforderungen konfrontiert sein werden, da die Kapitalisierungssätze (entsprechend dem Nettobetriebsergebnis und der Immobilienwerte) steigen und die Zinsen hoch bleiben. Folglich dürfte die Zahl der Zahlungsausfälle im Laufe des Jahres schrittweise zunehmen. Dennoch gehen wir davon aus, dass die meisten Kreditwertminderungen auf CMBS-Tranchen mit niedrigerem Rating und angespanntere Segmente wie Bürogebäude beschränkt sein werden.

Für einen reibungslos funktionierenden CMBS-Markt ist eine robuste Kreditvergabetätigkeit unerlässlich. Obwohl wir im Hinblick auf die Kreditvergabe mit einem restriktiveren Umfeld rechnen, dürften die Kreditgeber eng mit hochwertigen Kreditnehmern zusammenarbeiten, um Kredite zu verlängern und Zwangsvollstreckungen zu vermeiden. Die Kreditgeber dürften institutionellen CMBS-Conduit- und SASB-Kreditnehmern die besten Konditionen gewähren.

Die US-Notenbank Fed könnte auch Änderungen in Betracht ziehen, die es Banken ermöglichen würden, eine Neuklassifizierung von Darlehen oder die Bildung von Rücklagen für potenzielle Verluste zu vermeiden, wenn begründete Aussicht auf volle Rückzahlung besteht. Während der globalen Finanzkrise wurden ähnliche Maßnahmen erfolgreich umgesetzt.

Anleger könnten auch von positiven technischen Faktoren profitieren, die sich aus dem geringen Emissionsvolumen von CMBS ergeben. Das verringerte Angebot sollte eine Spreadausweitung verhindern und die Preise in gewissem Maße schützen. Im Laufe der Zeit sollte das wiedererlangte Vertrauen in mittelgroße und regionale Banken den CMBS-Markt stützen und für einen normaler operierenden Markt sorgen. Bis dahin sollten Anleger insbesondere im Büro-Segment von einer erhöhten Volatilität ausgehen, was einen Schwerpunkt auf die Kreditqualität umso wichtiger macht.

Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.