Investment-Grade-Anleihen mit Bindung an Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsthemen (ESG) sind an den Märkten sehr beliebt geworden. Wir denken, dass die Zeit reif ist, dass auch Hochzinsemittenten mitziehen. Für Anleger ergeben sich daraus sowohl neue Möglichkeiten als auch analytische Herausforderungen.
ESG-gebundene Anleihenstrukturen haben einen langen Weg hinter sich. Ausgehend von nur 243 Millionen US-Dollar an kumulativ emittierten grünen Anleihen per März 2016 wurden bis zum 30. März 2021 kumulativ 1,8 Billionen US-Dollar an Anleihen emittiert, die ein breites Spektrum an grünen und anderen ESG-gebundenen Strukturen abdecken. Bislang stammen die Emissionen jedoch überwiegend von Unternehmen mit Investment-Grade-Rating. Das ist nicht verwunderlich, denn um eine projektbasierte grüne, soziale oder Nachhaltigkeitsanleihe zu begeben, braucht es eine gewisse Größe. Für diese Kategorien müssen die Unternehmen ein spezifisches Projekt identifizieren, das groß genug ist, um eine eigene Anleihe zu rechtfertigen.
Zielgebundene Strukturen schaffen neue Möglichkeiten – und Herausforderungen
Dennoch müssen kleine und mittelgroße Hochzinsunternehmen nicht von den Märkten für ESG-Anleihen ausgeschlossen werden. Eine relativ neue zielgebundene ESG-Anleihenstruktur ermöglicht es Unternehmen, Anleihen zu begeben, die an bestimmte unternehmensweite ESG-Verbesserungsziele gebunden sind. In diesem Teil des Marktes können Unternehmen an Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) gebundene Anleihen begeben, deren Leistungsziele auf ihre spezifische Branche und Umstände zugeschnitten werden können. Wir glauben, dass diese Entwicklung eine Chance für Hochzinsunternehmen – insbesondere solche in „schmutzigen“ Branchen – schafft, ihren Übergang zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell zu finanzieren.
Um Zugang zu diesem Markt zu erhalten, müssen sich Hochzinsunternehmen nicht auf ein bestimmtes Investitionsprojekt oder bestimmte Projekte festlegen. Stattdessen müssen sie zunächst ein starkes Nachhaltigkeitsprofil nachweisen und dann ihre Nachhaltigkeitsverpflichtungen erfüllen.
Da die Hochzinsmärkte einen hohen Anteil an „Old Economy“-Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und der Rohstoffindustrie enthalten, könnten zielgebundene ESG-Strukturen für eine Vielzahl von Emittenten attraktiv sein. Unternehmen aus der Zement- oder Metallindustrie könnten beispielsweise Zugang zu Finanzmitteln erhalten, die an einen Plan zur Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes gekoppelt sind, der wissenschaftlich fundierte Ziele enthält, die mit einem 1,5-Grad-Wärmeszenario kompatibel sind.
Da KPI-gebundene Anleihen jedoch einen einfachen Zugang zu neuen Finanzierungen bieten können und ihre Bedingungen sehr emittentenspezifisch und vielfältig sein können, können sie auch ein höheres Risiko des „Grünwaschens“ darstellen. Die Herausforderung für Anleger besteht darin, zwischen Emittenten mit einem soliden Nachhaltigkeitsplan und einem starken Engagement für dessen Umsetzung und solchen mit einem rein opportunistischen Ansatz zu unterscheiden.
Gründliche Analyse ist unverzichtbar
Anleger benötigen daher einen robusten, formalisierten Rahmen, um die KPIs der Emittenten zu analysieren, und um zu bestimmen, welche Ziele sinnvoll sind und welche nur Augenwischerei. Das wiederum erfordert eine solide Fundamentalanalyse, um den Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens zu verstehen und ihn dann mit den nächsten Schritten in einer Weise zu verknüpfen, die sich leicht quantifizieren lässt.
Der erste Schritt besteht darin, die Art des KPI zu verstehen, was er erreichen soll und wie der Fortschritt gemessen wird. Das ist keine einfache Aufgabe, da es ein breites Spektrum an KPIs gibt, vom Wasserrecycling bis hin zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG). In jedem Fall wird der KPI durch eine Reihe von Nachhaltigkeitsleistungszielen (NPZ) unterstützt. Es ist wichtig festzustellen, ob die NPZs sowohl für den Emittenten als auch für die Branche ausreichend relevant und wesentlich sind und ob die angestrebten Verbesserungen extern validiert und angemessen verglichen werden können.
Die nächsten Punkte sind der Zeitrahmen für die Leistung und die Bedingungen, wenn die KPIs nicht erfüllt werden. KPI-gebundene Anleihen beinhalten nicht nur Ziele, sondern auch Strafen. Normalerweise führt das Nichterreichen der KPIs bis zu einem bestimmten Meilensteindatum zu einer Erhöhung des Kupons der Anleihe. Auf diese Weise erhalten enttäuschte Anleger erhöhte Zinszahlungen anstelle der versprochenen ESG-Verbesserungen. Es gibt jedoch keinen wirklichen Anreiz für den Emittenten, seine Verpflichtungen zu erfüllen, wenn die Strafe zu gering ist und/oder der Meilensteintermin zu weit entfernt liegt.
Außerdem sind viele hochverzinsliche Anleihen kündbar, es besteht also das Risiko, dass der Emittent in der Lage ist, die Anleihe vorzeitig zurückzuzahlen, ohne dass eine große Strafe für das Versäumnis der NPZs anfällt. Diese Eigenschaft kann für ESG-Anleger auf dem Hochzinsmarkt eine Herausforderung darstellen, da die Kündigungsfristen recht kurz sein können, während es mehrere Jahre dauern kann, bis die NPZs vollständig erfüllt sind. Dementsprechend ist es wichtig zu prüfen, dass die NPZ-Zeitpläne vor den Kündigungsterminen liegen, damit die Emittenten einen vollen Anreiz haben, ihre Ziele zu erfüllen.
Ein ständiger Austausch mit der Unternehmensleitung ist wichtig, um diese Probleme zu verstehen und sicherzustellen, dass die Strukturen die richtigen Anreize bieten und die Emittenten ihre Versprechen einhalten können.
KPI: Die Spreu vom Weizen trennen
Wir glauben, dass die Ziele der Emittenten von KPI-gebundenen Anleihen ehrgeizig sein sollten. So hat sich beispielsweise ein Hersteller von Bauteilen vor Kurzem zu NPZs verpflichtet, die eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mehr als 20 % innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren beinhalten. Dieses Ziel ist im Vergleich zu anderen Unternehmen der Branche sehr hoch. Uns gefällt auch, dass sich das Unternehmen zu zukünftigen Anleihenemissionen im gleichen Format verpflichtet hat. Denn wir wollen sehen, dass Unternehmen langfristige ESG-Verpflichtungen eingehen, die mit einem strategischen Plan verbunden sind.
Im Gegensatz dazu hatte eine kürzlich begebene KPI-gebundene Emission im Sektor der Rohstoffindustrie zwar relevante NPZs, aber keinen langfristigen Unternehmensplan. Auch diese Emission war kündbar. Im schlimmsten Fall könnte das Unternehmen seine NPZs verfehlen und die Anleihe dann vorzeitig zurückzahlen. In diesem Szenario würden die Anleger nur einen erhöhten Kupon erhalten, bevor sie ihr Kapital zurückbekommen, und somit nur 25 Basispunkte (BP) an zusätzlichen Erträgen erhalten. Wenn Emittenten jedoch ihre NPZs nicht einhalten, sollte die Strafe unserer Ansicht nach erheblich sein. Zum Beispiel könnte eine Erhöhung um 75 Basispunkte (entspricht drei um jeweils 25 Basispunkte erhöhten Kupon) angemessener sein. Alternativ sollten Anleger als Ausgleich einen höheren Barpreis erwarten, der in die vorzeitige Kündigung eingebettet ist.
Der Übergang zu einer nachhaltigeren Welt ist ein großes Thema für Anleger weltweit. Wir sind der Meinung, dass zielbasierte ESG-Anleihen auf diesem Weg eine entscheidende Rolle spielen können, insbesondere für Hochzinsunternehmen. Und wenn die Anleger erst einmal wissen, worauf sie achten müssen, werden die Unternehmen anspruchsvollere KPIs einführen und schneller Fortschritte machen.