Der Einmarsch Russlands ist eine Tragödie für das ukrainische Volk. Er wird auch weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft haben und sich dadurch unweigerlich auf die europäischen Banken auswirken. Unserer Ansicht nach könnten sich jedoch durch einen Ausverkauf der Anleihen europäischer Banken Chancen ergeben.
Die Banken haben die COVID-19-Pandemie in guter finanzieller Verfassung überwunden und weisen die stärksten Bilanzen seit der globalen Finanzkrise aus. Das direkte Engagement der Banken in Russland ist in absoluten Zahlen und im Verhältnis zu den Zahlungsströmen internationaler Banken insgesamt, d. h. als prozentualer Anteil ihrer gesamten Auslandsforderungen (AF), meistens gering. (Abbildung oben.)
Wesentliche Risiken
Die Risiken sind auf einige wenige Länder konzentriert: Rund 21% der ausstehenden Kredite an Russland entfallen auf Italien, was 2,5% aller Auslandsforderungen der italienischen Banken entspricht. Auf Österreich entfallen rund 14% der ausstehenden Kredite, was 3,7% aller AF der österreichischen Banken entspricht. Auf Frankreich entfallen ebenfalls rund 21%, dies entspricht aber nur 0,7% der gesamten Auslandsforderungen der französischen Banken. In keiner anderen europäischen Volkswirtschaft übersteigt der Anteil der russischen AF 0,4% des Gesamtvolumens.
Folgende Banken weisen das höchste relative Risiko im Verhältnis zu den Umsatzerlösen auf: RBIAV (Österreich) mit 20% sowie UCGIM (Italien) und SocGen (Frankreich) mit jeweils 4%. Europas Forderungen gegenüber der Ukraine sind sogar noch geringer (13,5 Mrd. USD verglichen mehr als 120 Mrd. USD gegenüber Russland). Österreich und Frankreich sind am stärksten in der Ukraine engagiert (RBIAV mit 6% und BNP Paribas mit 0,4% der Umsatzerlöse).
Im schlimmsten Fall könnten Banken mit lokalen Tochtergesellschaften gezwungen sein, ihre direkten Kapitalbeteiligungen abzuschreiben, was jedoch relativ begrenzte Auswirkungen auf ihre Kernkapitalquoten (CET1) haben würde, und das selbst bei der am stärksten exponierten RBIAV.
Potenzielle Auswirkungen
Aufgrund ihrer Nähe zum Konflikt und ihrer Funktion als Bindeglied sind europäische Banken anfällig für Risiken in Verbindung mit Negativschlagzeilen und könnten von Ausverkäufen betroffen sein. Wir sind jedoch der Meinung, dass die direkten Auswirkungen ihres Russland-Exposures auf ihre Bilanzen (hauptsächlich über russische Banken und Exporteure) relativ gering sein werden. Größere Auswirkungen werden wahrscheinlich krisenbedingte Wirtschaftseinbrüche in Europa haben: steigender (durch die Energiepreise bedingter) Inflationsdruck und ein hinter den Erwartungen zurückbleibendes BIP-Wachstum.
Ihr Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT stellt für die russischen Banken bisher die größte Belastung dar. Die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada und die EU haben sieben russische Banken ausgeschlossen – nicht aber jene, die mit der Energieversorgung die wichtigsten Transaktionen abwickeln. Dennoch werden die russischen Banken den Schock für die russische Wirtschaft eines Tages zu spüren bekommen.
Die Krise birgt auch das Risiko verstärkter russischer Cyberangriffe, die weiterhin eine ernste Bedrohung für Banken weltweit darstellen. Die erheblichen Investitionen der Banken in das Management von Cyberrisiken könnten in den kommenden Monaten auf den Prüfstand gestellt werden, und im Extremfall könnte eine angeschlagene Bank staatliche Unterstützung benötigen.
Wenngleich sich die Spreads von Bankenanleihen durch die Krise wahrscheinlich ausweiten werden, bleiben wir aufgrund der soliden Fundamentaldaten positiv gestimmt. Insbesondere könnten sich bei weiteren Kursrückgängen Chancen zum Kauf von AT1-Anleihen ergeben, die von stärkeren europäischen Banken emittiert wurden.