Chinas politische Agenda beinhaltet ein heikles Gleichgewicht zwischen Öffnung der Wirtschaft und der Kapitalmärkte und Wahrung der sozialen Stabilität. Zum ersten Schwerpunkt dieser Politik gehört die Möglichkeit, dass mehr Unternehmen ihre Schulden nicht begleichen, damit das Risiko auf den Anleihenmärkten genauer bewertet werden kann – eine Reform, die von globalen Anlegern allgemein begrüßt wird.
Der zweite Schwerpunkt zeigte sich vor Kurzem in einem harten Vorgehen gegen den Bildungs- und Technologiesektor, wo Geschäftspraktiken mit den sozialen Zielen der Regierung in Konflikt stehen. Dieser Schritt führte zu einem dramatischen Kursrutsch bei Aktien sowie chinesischen Offshore-Währungs- und Anleihenmärkten. Unsere Analysen von zwei unter Druck stehenden Emittenten – dem Vermögensverwalter Huarong und dem Immobilienentwickler Evergrande – haben einige Erkenntnisse zutage gefördert.
Welche Unternehmen sind systemrelevant?
Huarong, das sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindet und über ein Vermögen von 1,7 Billionen Renminbi (262 Milliarden US-Dollar) verfügt, alarmierte im April Anleihengläubiger, als es seine Ergebnisse für 2020 nicht bekannt gab. Der Kursverfall seiner Anleihen wurde durch die Unsicherheit der Anleger darüber verstärkt, ob das Unternehmen im Einklang mit den Marktliberalisierungszielen der Regierung in Konkurs gehen darf.
Wir glauben nicht, dass das der Fall sein wird, da das Unternehmen unseres Erachtens systemrelevant ist. Zu verstehen, welche Unternehmen systemrelevant sind, ist der Schlüssel zum Verständnis des Risikos auf den chinesischen Anleihenmärkten. Im Bankensektor zum Beispiel ist es relativ einfach zu bestimmen, welche Unternehmen systemrelevant sind. Auf die drei größten Banken – die drei Staatsbanken und die Geschäftsbanken der ersten und zweiten Reihe (sechs staatliche Banken beziehungsweise zwölf Aktienbanken) – entfallen zusammen zwischen 60 % und 70 % der Bilanzsumme des chinesischen Bankensystems.
Allein aufgrund ihrer Größe sind sie systemrelevant, aber es gibt noch weitere Faktoren. Dazu gehören staatliches Eigentum, die Verflechtung mit dem Finanzsystem (wie etwa Kreditaufnahme auf dem Interbankenmarkt), die Bedeutung der Banken für die soziale Stabilität und ihr Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten.
Der letzte Punkt ist für Chinas nationale Agenda von Bedeutung. Ein Ausfall von Vermögensverwaltungsgesellschaften auf Offshore-Anleihenmärkten – eine Sorge einiger Anleger – könnte den Zugang chinesischer Emittenten zu ausländischem Kapital einschränken. Das würde der von Peking angestrebten Internationalisierung des Renminbi (RMB) zuwiderlaufen.
Huarong und andere Vermögensverwalter erfüllen vier dieser fünf Kriterien (Abbildung).